Dune 01: Der Wüstenplanet
kann.«
»Sie werden auch nichts über das sagen, was heute nacht hier vorgefallen ist, Thufir. Dafür kenne ich Sie.«
»Mylady ...« Wieder versuchte Hawat mit trockener Kehle zu schlucken. Er dachte: Sie verfügt über eine ungeheure Macht, ja. Aber würde nicht gerade dies sie zu einem noch interessanteren Werkzeug für die Harkonnens machen?
»Der Herzog könnte ebenso schnell von seinen Freunden vernichtet werden wie von seinen Gegnern«, meinte Jessica. »Ich nehme an, daß Sie den Grund Ihres Mißtrauens noch einmal genauestens überprüfen und dann vergessen werden.«
»Wenn es wirklich grundlos ist«, sagte Hawat.
»Wenn«, fauchte Jessica.
»Ja, wenn«, wiederholte Hawat.
»Sie sind zäh«, stellte sie fest.
»Vorsichtig«, verbesserte Hawat, »und eventuellen Fehlern immer wachsam gegenüberstehend.«
»Dann will ich Ihnen eine andere Frage stellen: Was bedeutet es für Sie, daß jemand vor Ihnen steht, der sie völlig in der Gewalt und entwaffnet hat; der Ihnen eine Klinge an die Kehle setzt und Sie dennoch nicht tötet, sondern Ihnen im Gegenteil die Fesseln wieder abnimmt und ein Messer reicht, das Sie benutzen können, wie es Ihnen beliebt?«
Sie stand auf und drehte ihm den Rücken zu. »Sie können nun gehen, Thufir.«
Der alte Mentat erhob sich, zögerte und tastete mit der Hand nach der unter seiner Tunika verborgenen tödlichen Waffe. Er erinnerte sich an die Arena und an Letos Vater (der ein tapferer Mann gewesen war, egal, was man sonst gegen ihn einwenden mochte) und den längst vergangenen Tag der Corrida: Das schreckliche schwarze Ungetüm hatte dagestanden, den Kopf gesenkt, unbeweglich und verwirrt. Der alte Herzog hatte den Hörnern seinen Rücken zugedreht, während die Capa über seinem Arm lag und die Zuschauer in lautes Beifallsgeschrei ausgebrochen waren.
Ich bin der Stier, dachte er, und sie der Matador. Als er die Hand von der Waffe nahm, sah er, daß sie naß vom Schweiß war. Und ihm wurde klar, daß, egal wie sich die Dinge entwickeln mochten, er niemals seinen Respekt vor Lady Jessica verlieren würde.
Leise wandte er sich ab und verließ den Raum.
Jessica löste sich vom Anblick der das Licht reflektierenden Fensterscheiben und starrte auf die geschlossene Tür.
»Jetzt wird es erst richtig losgehen«, flüsterte sie.
18
Du kämpfst mit den Träumen?
Du ringst mit den Schatten?
Du bewegst dich in einer Art Schlaf?
Die Zeit ist dir entwichen.
Dein Leben gestohlen.
Lappalien halten dich auf,
Opfer deiner Torheit.
Grabgesang für Jamis, aus ›Lieder des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Leto stand im Foyer seines Hauses und studierte im Licht einer einzigen Suspensorlampe eine Botschaft. Der Morgen würde erst in einigen Stunden grauen, und er fühlte seine Müdigkeit. Ein Kurier der Fremen hatte die Nachricht einem der Außenposten gegeben, nachdem der Herzog von der Kommandozentrale zurückgekehrt war.
Die Botschaft lautete: »Am Tag eine Säule aus Wolken, in der Nacht eine aus Feuer.«
Sie trug keine Unterschrift.
Was hat das zu bedeuten? fragte er sich.
Der Kurier war verschwunden, bevor man ihn danach fragen konnte. Er hatte auch nicht auf Antwort gewartet, sondern war wie ein rauchiger Schatten in der Nacht untergetaucht.
Leto steckte die Nachricht in die Tasche seiner Tunika und nahm sich vor, sie später Hawat zu zeigen. Müde strich er sich das Haar aus der Stirn und holte tief Luft. Die Aufputschtabletten begannen jetzt ihre Nebenwirkung zu zeigen, er hatte jetzt seit mehr als zwei Tagen keine Stunde geschlafen.
Über allen militärischen Problemen stand jetzt die Sache mit Jessica, von der Hawat ihn unterrichtet hatte.
Soll ich sie wecken? fragte er sich. Es gibt nun keinen Grund mehr, die Geheimniskrämerei weiterzuführen. Oder doch?
Verflucht sei Duncan Idaho!
Er schüttelte den Kopf. Nein, nicht Duncan. Es war mein Fehler, sie nicht von Anfang an ins Vertrauen gezogen zu haben. Aber ich werde es jetzt tun, sofort; bevor noch mehr Schaden angerichtet werden kann.
Die getroffene Entscheidung führte dazu, daß er sich gleich besser fühlte. Sofort machte er sich auf den Weg durch die Vorhalle, passierte die Große Halle und ging dann zum Familienflügel.
An der Kreuzung, wo sich der Gang zum Personalflügel spaltete, hielt er kurz an. Ein seltsames Wimmern drang von dort her an seine Ohren. Leto legte die rechte Hand auf den Aktivator seines Körperschildes und zog den Kindjal aus der Scheide. Die Klinge verlieh ihm ein
Weitere Kostenlose Bücher