Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
einen wackligen Korbstuhl, in dem jetzt die Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam saß, einen Strohsack mit einer braunen Wolldecke, auf der Tarockkarten ausgebreitet lagen, einen Wasserhahn mit Sparschaltung über einem kleinen Waschbecken sowie ein Trockenklosett. Alles war primitiv. Eine in die Decke eingelassene Lampe spendete trübgelbes Licht.
»Sie haben Jessica benachrichtigt?« fragte die Ehrwürdige Mutter.
»Ja, aber ich erwarte nicht, daß sie auch nur einen Finger gegen ihren Erstgeborenen erheben wird«, sagte Irulan. Sie betrachtete die gelegten Karten und sah, daß sie von den Mächtigen sprachen, die Bittstellern den Rücken zukehrten. Die Karte des Großen Wurms lag unter der Karte des Einsamen Sandes. Geduld war geboten. Braucht man ein Tarockspiel, um das zu sehen?
Draußen im Gang stand ein Wächter und beobachtete sie. Irulan schloß die Tür hinter sich, aber sie hatte ein Fenster, und Irulan war überzeugt, daß dieses Gespräch auch noch mit anderen Mitteln überwacht wurde. Sie hatte lange überlegt, bevor sie das Wagnis dieses Besuchs auf sich genommen hatte; das Fernbleiben hätte seine eigenen Gefahren gehabt.
Die Ehrwürdige Mutter hatte sich mit dem Legen der Tarockkarten und mit Pradjna-Meditationen beschäftigt. Trotz eines Gefühls, daß sie Arrakis nie mehr lebendig verlassen würde, hatte sie durch diese Übungen ein gewisses Maß von innerer Ruhe erlangt. Die Gabe der Weissagung, über die sie verfügte, mochte gering sein, aber schmutziges Wasser war schmutziges Wasser. Und im Fall äußersten Verzagens gab es immer die Litanei gegen die Furcht.
Sie hatte noch nicht die Vorgänge verarbeitet, die zu ihrer Verbringung in diese Zelle geführt hatten. Verdacht und finsteres Mißtrauen brüteten in ihrem Geist (und die Karten schienen es zu rechtfertigen). War es möglich, daß die Gilde es so geplant hatte?
Ein gelbgekleideter Qizara mit einem Turban auf dem rasierten Kopf, tiefblauen Knopfaugen in einem leeren runden Gesicht, die Haut von Wind und Sonne auf Arrakis gegerbt, war nach der Landung an Bord des Raumschiffs gekommen.
»Sie sind die Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam?« hatte er gefragt.
Und ihre Kehle hatte sich in einem unkontrollierbaren Krampf von Furcht zusammengezogen. Wie hatte einer der Günstlinge des Herrschers von ihrer Anwesenheit im Schiff erfahren?
»Es ist unserer Aufmerksamkeit nicht entgangen, daß Sie an Bord sind«, sagte der Qizara. »Haben Sie vergessen, daß es Ihnen nicht gestattet ist, Ihren Fuß auf den heiligen Planeten zu setzen?«
»Ich bin nicht auf Arrakis«, erwiderte sie. »Ich bin Passagier eines Raumschiffs der Gilde im freien Raum.«
»Was Sie freien Raum nennen, Madame, gibt es nicht.«
Sie registrierte tiefe Abneigung und ein womöglich noch tieferes Mißtrauen in seinem Ton.
»Muad'dib regiert überall«, fügte er hinzu.
»Arrakis ist nicht mein Ziel«, erklärte sie. Und einen Moment lang fürchtete sie, daß er ihr einen Vortrag über die mystischen Pilgerreisen halten würde (dieses Schiff hatte Hunderte von ihnen befördert).
Aber der Priester hatte ein goldenes Amulett unter seinem Gewand herausgezogen, es geküßt und an seine Stirn gedrückt, worauf er es an sein rechtes Ohr gehalten und gelauscht hatte. Kurz darauf steckte er es wieder in die Gewandfalten.
»Sie werden aufgefordert, Ihr Gepäck an sich zu nehmen und mich nach Arrakeen zu begleiten.«
»Aber ich habe anderswo Geschäfte!«
In diesem Augenblick dachte sie an eine Perfidie der Gilde. Oder vielleicht war es dem Steuermann trotz aller Versicherungen nicht gelungen, die Verschwörung zu verbergen. Alia besaß gewiß die Fähigkeit einer Ehrwürdigen Mutter der Bene Gesserit. Was geschah, wenn diese Kräfte mit jenen gepaart wurden, die in ihrem Bruder wirksam waren?
»Sofort!« sagte der Qizara barsch.
Alles in ihr revoltierte gegen die Idee, noch einmal diesen verfluchten Wüstenplaneten zu betreten. Hier war die Ehrwürdige Mutter Jessica abtrünnig geworden und hatte sich gegen die Schwesternschaft gewendet. Hier hatten sie Paul Atreides verloren, den männlichen Bene Gesserit, den Messias, den sie durch lange Generationen sorgfältiger Zucht geformt hatten.
»Sofort«, resignierte sie.
»Es ist nicht viel Zeit«, sagte der Priester. »Wenn der Herrscher befiehlt, gehorchen seine Untertanen.«
Also war der Befehl von Paul Atreides selbst gekommen!
Sie dachte daran, sich beim Navigator-Kommandanten des Schiffes zu beschweren, aber die
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