Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
weiterwandern, und trotz der metallischen Augen sah er jetzt nur Duncan Idaho in dem Ghola. Trauer und Mitleid stritten in ihm um die Vorherrschaft. Was mochten diese metallenen Augen aufzeichnen?
Es gibt viele Grade des Sehens und viele Grade von Blindheit, dachte er. Sein Geist wandte sich der Paraphrase eines Textes zu, den er einmal irgendwo gelesen hatte: »Welche Sinne fehlen uns, daß wir die andere Welt um uns her nicht sehen können?«
Waren diese metallenen Augen ein anderes Sinnesorgan als das des Sehens?
Alia brach ihr Gespräch mit Hayt ab und kam zu ihrem Bruder herüber. Sie trat an seine Seite und berührte mit einer weichen, beinahe schüchtern anmutenden Gebärde seine Wange. Sie fühlte seine hoffnungslose Traurigkeit und die tiefe innere Einsamkeit, in die sie ihn drängte.
Leise sagte sie: »Wir sollten uns nicht vor ihrem Hinscheiden um diejenigen grämen, die uns lieb sind.«
»Vor ihrem Hinscheiden«, flüsterte Paul. »Sag mir, kleine Schwester, was ist vor? «
13
Ich habe genug von dem Götter- und Priestergeschäft! Glauben Sie, ich sähe meinen eigenen Mythos nicht? Prüfen Sie noch einmal Ihre Daten, Hayt. Ich habe meine Riten unbemerkt in die elementarsten menschlichen Betätigungen hineingebracht. Die Leute essen im Namen Muad'dibs! In meinem Namen schlafen sie miteinander, in meinem Namen werden sie geboren – sie überqueren die Straße in meinem Namen. Der armseligste Schuppen im fernen Gangishri kann keinen neuen Dachstuhl erhalten, ohne daß Muad'dibs Segen auf das Werk herabgerufen wird!
»Buch der Diatriben«
aus der »Hayt-Chronik«
»Sie riskieren viel, Ihren Posten zu verlassen und um diese Zeit zu mir zu kommen«, sagte Edric unwillig. Seine kleinen Augen spähten kurzsichtig aus dem wabernden orangenfarbenen Nebel in seinem Behälter.
»Wie schwach und begrenzt Ihr Denken ist!« sagte Scytale. »Wer ist es denn, der Sie besuchen kommt?«
Edric zögerte, musterte dann die ungeschlachte Gestalt mit dem stumpfen Gesicht und den schweren Lidern. Es war früh am Tag, und Edrics Körperhaushalt hatte sich noch nicht von der Nachtruhe auf vollen Melangekonsum umgestellt.
»Aber dies ist nicht die Gestalt, die auf den Straßen gegangen ist«, stellte Edric fest.
»Natürlich nicht«, sagte Scytale. »Sie wäre zu auffällig gewesen. Die Gestalt, in der ich heute ging, hat kein Mensch zweimal angesehen.«
Das Chamäleon glaubt, die Veränderung seiner Gestalt werde ihn vor allem und jedem verbergen, dachte Edric mit seltener Einsicht. Und er spürte einen nagenden Zweifel, ob seine Gegenwart die Verschwörer wirklich gegen alle hellseherischen Fähigkeiten abschirme. Des Herrschers Schwester, zum Beispiel, diese Alia ...
Edric schüttelte den Kopf, rührte mit trägen Ruderbewegungen seiner Hände das orangefarbene Gas in seinem Behälter auf. »Warum sind Sie hier?«
»Das Geschenk muß zu rascherem Handeln gedrängt werden«, sagte Scytale.
»Das läßt sich nicht machen.«
»Wir müssen einen Weg finden«, beharrte Scytale. »Die Dinge entwickeln sich nicht nach meinem Geschmack. Muad'dib versucht uns zu spalten. Den Bene Gesserit hat er bereits sein Angebot gemacht.«
»Ach, das!«
»Das! Sie müssen den Ghola anspornen, daß er ...«
»Sie haben ihn gemacht, Scytale«, sagte Edric. »Sie sollten es besser wissen, als ausgerechnet mich anzugehen.« Er machte eine Pause und bewegte sich näher an die transparente Wand seines Aquariums. »Oder haben Sie uns in bezug auf die Möglichkeiten dieses Geschenks belogen?«
»Belogen?«
»Sie sagten, die Waffe sei auf das Ziel zu richten und loszulassen, nicht mehr. Sobald der Ghola übergeben wäre, könnten wir ihn nicht mehr beeinflussen.«
»Jeder Ghola kann durcheinandergebracht werden«, erwiderte Scytale. »Sie brauchen nichts weiter zu tun als ihn über sein ursprüngliches Selbst zu befragen.«
»Was soll das bewirken?«
»Es wird ihn zu Aktionen veranlassen, die unseren Zielen dienlich sind.«
»Er ist ein Mentat, begabt mit Logik und Vernunft«, wandte Edric ein. »Er konnte erraten, was ich tue ... Oder diese verwünschte Schwester. Wenn ihre Aufmerksamkeit ...«
»Verbergen Sie uns vor der Sibylle, oder tun Sie es nicht?« fragte Scytale.
»Ich fürchte mich nicht vor Sibyllen und ihren Orakeln«, sagte Edric. »Ich beschäftige mich mit logischen Überlegungen, mit wirklichen Spionen, mit der physischen Macht des Imperiums, mit der Gewürzkontrolle, mit ...«
»Man kann über den
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