Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
Herrscher und sein Imperium in Ruhe nachdenken, wenn man sich vergegenwärtigt, daß alle Dinge endlich sind«, sagte Scytale.
Der Steuermann wälzte sich herum und ruderte mit Armen und Beinen wie ein Wassermolch. Scytale kämpfte bei dem Anblick gegen ein Gefühl von Ekel an. Edric trug seinen gewohnten einteiligen Anzug mit mehreren ausgebeulten Taschen an der Brust, auf den Oberschenkeln und in der Mitte. Trotzdem machte er einen seltsamen Eindruck von Nacktheit, wenn er sich bewegte. Es waren die schwimmenden, rudernden Bewegungen, dachte Scytale, und wieder kam ihm zu Bewußtsein, wie empfindlich und gefährdet die Bande ihrer Verschwörung waren. Sie waren keine homogene Gruppe. Das war eine Schwäche.
Edrics Bewegungen ließen nach. Er hatte eine neue Lage eingenommen und spähte hinaus zu Scytale. Die orangefarbene Gaswolke, die ihn erhielt, trübte seine Sicht ein wenig und ließ den Tleilax in bräunlicher Verfärbung erscheinen. Was für einen Plan hielt der Verwandlungskünstler in Reserve, um sich selbst zu retten? fragte Edric sich. Scytales Verhalten entzog sich jeder sicheren Voraussage. Ein schlechtes Omen.
Die Bemerkungen des Steuermanns verrieten Scytale, daß Edric die Schwester mehr fürchtete als den Herrscher. Auch das hatte beunruhigende Aspekte. Hatten sie etwas Wichtiges im Zusammenhang mit Alia übersehen? War der Ghola eine hinreichende Waffe, um beide zu zerstören?
»Wissen Sie, was von Alia gesagt wird?« fragte Scytale.
»Was meinen Sie?« Wieder reagierte der Fischmensch mit nervösen Handbewegungen.
»Niemals hatten Philosophie und Kultur eine solche Patronin«, sagte Scytale. »Schönheit und Vergnügen vereinigen sich in ...«
»Was ist an Schönheit und Vergnügen dauerhaft?« verlangte Edric zu wissen. »Wollen Sie eine Lobrede halten? Wir werden beide Atreides zerstören. Kultur? Das ist zum Lachen! Sie fördern die Kultur nur als Ablenkungsmanöver, damit sie um so ungestörter regieren können. Schönheit? Sie fördern eine Schönheit, die versklavt! Sie schaffen Unwissenheit und verdummen das Volk mit ihrem religiösen Kult – nichts leichter als das! Sie überlassen nichts dem Zufall. Alles, was sie tun, hat den Zweck, zu versklaven, Ketten zu schmieden. Aber Sklaven revoltieren immer.«
»Die Schwester könnte heiraten und Nachkommen produzieren«, sagte Scytale.
»Warum reden Sie von der Schwester?«
»Der Herrscher wird früher oder später einen Partner für sie wählen«, sagte Scytale.
»Soll er wählen. Es ist bereits zu spät.«
»Selbst Sie können den nächsten Moment nicht erfinden«, warnte Scytale. »Sie sind kein Schöpfer ... genausowenig wie die Atreides. Wir dürfen nicht zuviel voraussetzen.«
»Wieso das?« erwiderte Edric. »Wir sind nicht diejenigen, die von Schöpfung faseln. Wir gehören nicht zu der hirnlosen Menge, die sich diesen ganzen Kult aufbinden läßt und aus Muad'dib einen Messias macht. Was soll dieser Unsinn? Warum werfen Sie solche Fragen auf?«
»Es ist dieser Planet«, sagte Scytale. »Er wirft Fragen auf.«
»Planeten sprechen nicht.«
»Dieser tut es.«
»Ach?«
»Er spricht von Schöpfung. Sand weht in der Nacht: das ist Schöpfung.«
»Sand weht ...«
»Wenn wir aufwachen, zeigt das erste Licht uns die neue Welt – alles frisch und bereit für unsere Spuren.«
Unberührter Sand? dachte Edric. Schöpfung? Plötzliche Furcht erfüllte ihn. Das Gefängnis dieses Behälters, der umgebende Raum, alles drängte auf ihn ein, beengte ihn.
Spuren im Sand.
»Sie reden wie einer von diesen Einheimischen«, sagte Edric unwillig.
»Der Gedanke stammt von ihnen, und er ist lehrreich«, sagte Scytale. »Sie sprechen von Muad'dibs Djihad in diesem Sinn. Der Djihad hinterläßt Spuren im Universum, ebenso wie ein Nomade Spuren im Sand hinterläßt. Sie haben eine Spur im Leben der Menschen markiert.«
»Und?«
»Eine neue Nacht kommt. Der Wind weht.«
»Ja«, sagte Edric, »der Djihad ist endlich. Muad'dib hat seinen Djihad benützt und ...«
»Er hat den Djihad nicht benützt«, unterbrach Scytale. »Der Djihad hat ihn benützt. Ich glaube, Muad'dib hätte ihn längst eingestellt, wenn er es vermocht hätte.«
»Wenn er vermocht hätte? Er brauchte nichts weiter zu tun als ...«
»Unsinn!« sagte Scytale, abwinkend. »Eine epidemische Geisteskrankheit kann man nicht zum Stillstand bringen. Sie springt von einem zum anderen über; sie ist überwältigend ansteckend. Sie schlägt von der ungeschützten Seite her zu,
Weitere Kostenlose Bücher