Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
unerträglich heiß. Der ungesehene Partner ihrer dunkelsten Träume! Fleisch von ihrem Fleisch, das das Orakel nicht enthüllen konnte – sollte es dahin kommen?
»Haben Sie eine gefährliche Dosis vom Gewürz riskiert?« fragte er teilnehmend.
»Sie wissen nicht, was es heißt, die Zukunft zu jagen«, sagte sie. »Manchmal erblicke ich mich selbst ... aber ich komme mir selbst in den Weg. Ich kann nicht durch mich selbst sehen.« Sie ließ den Kopf sinken und schüttelte ihn zweifelnd.
Nach einer Weile sagte er: »Wieviel von dem Gewürz haben Sie genommen?«
Sie schien ihn nicht zu hören. »Die Natur verabscheut Visionen«, murmelte sie. »Wußten Sie das, Hayt?«
Er sprach sanft und eindringlich, wie zu einem kleinen Kind: »Sagen Sie mir, wieviel Sie von dem Gewürz genommen haben.« Er faßte ihre Schulter und schüttelte sie leicht.
»Worte sind grobe Maschinerie, so primitiv und doppelsinnig«, sagte sie.
»Sie müssen es mir sagen«, drängte er.
»Sehen Sie zum Schildwall«, befahl sie mit ausgestreckter Hand. Ein starkes Zittern befiel sie, als sie in einer überwältigenden Vision die Landschaft zerbröckeln und zerfallen sah – eine Sandburg, die von unsichtbaren Wellen zerstört und eingeebnet wurde. Sie wandte die Augen ab, erstarrte vor Schreck, als sie das Gesicht des Ghola sah. Seine Züge veränderten sich von innen heraus, quellend und schrumpfend, alterten, verjüngten sich wieder ... alterten ... Er war das Leben selbst, endlos ... Sie wollte fliehen, aber er packte ihren Arm.
»Ich werde einen Arzt rufen«, sagte er.
»Nein! Sie müssen mir die Vision lassen! Ich muß alles wissen!«
»Sie werden jetzt hineingehen«, sagte er fest.
Sie starrte auf seine Hand. Wo er sie hielt, fühlte sie eine elektrisierende Gegenwart, die sie zugleich lockte und ängstigte. Sie riß sich los, keuchte: »Sie können den Wirbelwind nicht festhalten!«
»Sie brauchen ärztliche Hilfe!« sagte er.
»Verstehen Sie nicht?« fragte sie wild. »Meine Vision ist unvollständig, nur Fragmente. Sie flackert und springt. Ich muß mich an die Zukunft erinnern. Sehen Sie das nicht ein?«
»Was ist die Zukunft, wenn Sie sterben?« fragte er zurück. Er nahm sie bei den Schultern und drängte sie mit sanfter Gewalt in das Zimmer, aus dem sie gekommen war.
»Worte ... Worte«, murmelte sie. »Ich kann es nicht erklären. Ein Ding ist der Anlaß eines anderen, aber es gibt keine Ursache ... keine Wirkung. Wir können das Universum nicht lassen, wie es war. Was wir auch versuchen mögen, es ist eine Lücke da.«
»Legen Sie sich hier nieder!« befahl er.
Kühle Schatten hüllten sie ein. Sie fühlte tausend Würmer in ihren Muskeln kriechen. Sie lag auf einem Sofa – einem festen Sofa, von dem sie wußte, daß es substanzlos war. Nur Raum war von Dauer, nichts anderes hatte Substanz. Das Sofa schien zu fließen, mit vielen Körpern darauf, die alle ihr gehörten. Zeit wurde eine vielfache Empfindung, überladen. Sie bot ihr keine einzelne Reaktion, von der sie ausgehen könnte, die ihr ein Abstrahieren erlaubt hätte. Es war die Zeit. Sie war in Bewegung. Das ganze Universum glitt rückwärts, vorwärts, seitwärts.
»Es hat keinen Ding-Aspekt!« murmelte sie. »Man kann nicht herum oder hinüber. Es gibt keine Stelle, den Hebel anzusetzen.«
Plötzlich waren viele Leute um sie her, ergriffen ihre Hände, redeten durcheinander. Sie blickte an ihrem sich schlangenartig windenden linken Arm entlang und sah eine flüssige Maske von einem Gesicht: Hayt. Seine Augen waren verkehrt, aber er war es – Kind, Halbwüchsiger, Mann, Greis, Kind, Halbwüchsiger, Mann ... Jeder erkennbare Zug in seinem Gesicht verriet Besorgnis. Besorgnis – um sie.
»Keine Angst«, murmelte sie.
Er drückte ihre Hand und nickte. »Seien Sie still jetzt«, sagte er. »Verhalten Sie sich ruhig.«
Und Alia dachte: Dieser Ghola liebt mich.
Der Gedanke wurde zu einem Felsen, an den sie sich klammern konnte. Er war ein vertrautes Gesicht, und hinter ihm war eine solide Wand. Sie erkannte einen der Salons in Pauls Suite.
Jemand zwang ihre Kiefer auf und schob ihr etwas in die Kehle und tiefer. Sie würgte und hustete, kämpfte gegen Hände, die ihre Arme und Beine niederdrückten.
»Es ist noch nicht zu spät«, sagte eine Stimme, in der sie die des Hofarztes wiedererkannte. »Wir haben sie noch rechtzeitig erwischt. Aber Sie hätten mich eher rufen sollen.«
Sie merkte, daß man ihr den Magen auspumpte. Nach einer Weile fühlte
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