Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
die man von einem Sietch aus irgendwelchen Wanderern in der Bled gab. Wer waren die Bewohner dieses Ortes? Er kroch in die tiefsten Schatten des Klippengebiets hinein, glitt mit der Hand über das Gestein und suchte nach der Spalte, die er im hellen Tageslicht von seinem Beobachtungspunkt aus entdeckt hatte. Nach dem achten Schritt machte er sie aus, nahm den Sandschnorchel in die Hand und überprüfte die Dunkelheit. Als er sich bewegte, legte sich etwas Enges und Festes über seine Schultern und Arme und machte ihn bewegungsunfähig.
Schlingpflanzen!
Er widerstand dem Bedürfnis, sich dagegen zur Wehr zu setzen; es würde lediglich dazu führen, daß der Zugriff der Ranken sich verstärkte. Er ließ den Schnorchel fallen, bewegte die Finger seiner rechten Hand und versuchte, das an der Hüfte hängende Messer zu erreichen.
Er kam sich wie ein Narr vor, daß er nicht zumindest versucht hatte, in der Dunkelheit etwas in die Spalte hineinzuwerfen, um ihre Gefahren kennenzulernen. Wahrscheinlich hatte das Feuer auf den Klippen seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht.
Obwohl jede seiner Bewegungen die Schlingen nur noch enger machte, schaffte er es schließlich, an den Griff des Messers heranzukommen. Langsam und geduldig umklammerte er es und zog es vorsichtig aus der Scheide.
Leuchtende Helligkeit umgab ihn plötzlich und ließ jegliche Bewegung erstarren.
»Oh, da ist uns ja ein hübscher Fang ins Netz gegangen.« Die Stimme gehörte einem Mann, der sich momentan hinter Leto aufhielt, und sie kam ihm entfernt bekannt vor. Er versuchte den Kopf zu drehen, obwohl er wußte, daß die Ranken ihn bei allzu heftigen Bewegungen zerquetschen würden.
Bevor er den Mann sehen konnte, hatte dieser ihm das Messer abgenommen. Dann glitt eine Hand über seinen Körper und fand jedes auch noch so kleine Hilfsmittel, die Ghanima und er ständig bei sich verborgen trugen. Nichts entging dieser Hand, nicht einmal die Würgeschlinge aus Shigadraht, die in seinem Haar verborgen war.
Leto hatte den Mann immer noch nicht gesehen.
Die Finger des Unbekannten stellten irgend etwas mit den Ranken an, und Leto fühlte, daß er besser atmen konnte. Der Mann sagte: »Sträube dich nicht, Leto Atreides. Ich habe dein Wasser in meiner Tasse.«
Mit äußerster Anstrengung, einen kühlen Kopf zu bewahren, erwiderte Leto: »Du weißt, wie ich heiße?«
»Natürlich. Wenn jemand eine Falle aufstellt, tut er das nicht ohne Grund. Man zielt auf eine bestimmte Beute ab, oder?«
Obwohl Letos Gedanken wild durcheinanderwirbelten, verhielt er sich still.
»Du fühlst dich betrogen«, sagte die tiefe Stimme. Hände drehten ihn herum. Sie fühlten sich gleichzeitig freundlich und streng an. Ein männlicher Erwachsener klärte ein Kind über Unterschiede auf.
Leto versuchte hinter das helle Licht zu sehen und erkannte die dunklen Umrisse eines von einer Destillanzugmaske vermummten Gesichts unter einer Kapuze.
Nachdem sich seine Augen mehr an das Licht gewöhnt hatten, machte er einen dunklen Hautstreifen und die gänzlich blauen Augen eines Gewürzabhängigen aus.
»Du fragst dich sicher, was das alles zu bedeuten hat«, sagte der Mann. Seine Stimme klang durch die Maske dumpf; als versuche er, einen bestimmten Akzent zu verbergen.
»Ich habe schon vor langer Zeit aufgegeben, mich danach zu fragen, warum so viele Leute es gerne sähen, wenn die Atreides-Zwillinge tot wären«, erwiderte Leto. »Weil ihre Gründe offensichtlich sind.«
Während er sprach, waren seine Gedanken ununterbrochen in Bewegung. Eine vorbereitete Falle? Aber wer hatte davon gewußt, daß er hier auftauchen würde außer Ghanima? Unmöglich! Ghanima würde doch nicht ihren eigenen Bruder in eine Falle schicken. Gab es etwa jemanden, der ihn gut genug kannte, um seine Vorhaben vorauszuberechnen? Wer sollte das sein? Seine Großmutter? Aber wieso?
»Man kann nicht zulassen, daß du so weitermachst wie bisher«, sagte der Mann. »Schade. Aber bevor du den Thron besteigst, benötigst du eine bestimmte Erziehung.« Die Augen, die keinerlei Weiß enthielten, sahen auf ihn herab. »Du fragst dich sicher, wie jemand annehmen kann, in der Lage zu sein, einen Menschen wie dich zu erziehen, wo du über das Wissen unzähliger Geister verfügst, die dir ihre Erinnerungen gaben. Aber genau das ist es, verstehst du? Du glaubst gerade deswegen, daß man dir nichts mehr beibringen könne, obwohl ihr Wissen in dir lediglich wie in einem Lagerraum herumliegt. Bis jetzt hast du noch
Weitere Kostenlose Bücher