Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
Goldene Pfad sich doch noch in diesem Universum für ihn auftun würde, ergriff ihn wieder. Was dieser Namri mit seinen Fragen zu erfahren beabsichtigte, war nichts anderes als das Motiv, das Muad'dibs Sohn in die Wüste hinausgetrieben hatte.
»Es ist Gottes Sache, uns den Weg zu zeigen«, sagte er.
Namris Kinnlade klappte herunter. Er warf Leto einen prüfenden Blick zu. »Und du glaubst das wirklich?« fragte er fordernd.
»Deswegen bin ich hier«, erwiderte Leto.
»Um den Weg zu finden?«
»Um ihn für mich selbst zu finden.« Leto schob die Beine über den Rand der Couch. Der felsige Boden war unbedeckt und kalt. »Die Priester gründeten das Zentralamt, um den Weg dahinter zu verschleiern.«
»Du sprichst wie ein echter Rebell«, sagte Namri und strich mit der Hand über den Schildkrötenring. »Wir werden sehen. Und nun hör mir noch einmal sorgfältig zu. Kennst du den hohen Schildwall von Jalal-ud-Din? Er trägt die eingekratzten Zeichen meiner Familie von den ersten Tagen an. Jarvid, mein Sohn, hat diese Zeichen gesehen. Abedi Jalal, mein Neffe, sah sie ebenfalls. Und auch Mujahid Shafqat von den anderen. Während der Zeit der Stürme, in der Nähe von Sukkar, kam ich mit meinem Freund Abad in diese Gegend. Die Winde, von denen wir unsere Tänze lernten, waren so heiß, daß die Haut Blasen warf. Wir hatten nicht mehr die Zeit, uns die Zeichen anzusehen, weil uns ein plötzlicher Sturm den Weg abschnitt. Aber als er vorbei war, erschien auf dem aufgeworfenen Sand die Vision Thattas. Ebenso war einen Moment lang das Gesicht Shakri Alis zu sehen. Er blickte auf seine Gräberstadt hinab. Obwohl die Vision schnell wieder verschwand, sahen wir sie beide. Kannst du mir sagen, Atreides, wo ich diese Gräberstadt finden kann?«
Die Wirbelwinde, von denen wir unsere Tänze lernten, dachte Leto. Die Vision von Thatta und Shakri Ali. Dies waren die Worte eines Zensunni-Wanderers, eines Menschen, der nur sich und seinesgleichen als das wahre Geschöpf der Wüste anerkannte.
Und Fremen war es verboten, Gräber zu besitzen.
»Die Stadt der Gräber befindet sich am Ende des Pfades, dem alle Menschen folgen«, sagte Leto und erinnerte sich an die seligmachenden Worte der Zensunni: »Es ist ein Garten, der tausend Schritte lang und breit ist. Vor ihm liegt ein herrlicher Korridor, der zweihundertdreißig Schritte lang und einhundert Schritte breit ist. Er ist von Marmor bedeckt, das aus dem alten Jaipur stammt. Und in ihm lebt ar-Razzaq, der allen Nahrung gibt, die ihn darum bitten. Und alle, die sich am Tag der Abrechnung erheben und die Stadt der Gräber suchen, werden sie nicht finden. Denn es steht geschrieben: ›Das was du kennst in der einen Welt, sollst du nicht finden in der anderen.‹«
»Schon wieder rezitierst du ohne Glauben«, knurrte Namri. »Aber ich will mich für jetzt damit zufriedengeben, weil ich glaube, daß du weißt, weswegen du hier bist.« Ein kaltes Lächeln überzog sein Gesicht. »Ich werde dir eine provisorische Zukunft geben, Atreides.«
Leto musterte den Mann. Er war unangenehm betroffen. War dies schon wieder eine versteckte Frage?
»Gut«, sagte Namri. »Dein Bewußtsein ist auf alles vorbereitet. Ich ziehe die Widerhaken nicht zurück. Aber noch etwas: Hast du davon gehört, daß man in Kadrish imitierte Destillanzüge trägt?«
Da Namri auf eine Antwort zu warten schien, überlegte Leto, ob er vielleicht auf etwas ganz anderes hinauswollte. Imitierte Destillanzüge? Sie wurden nicht nur in Kadrish getragen. Er sagte: »Das geckenhafte Verhalten der Leute von Kadrish ist eine alte und oft erzählte Geschichte. Man sagt, daß sich sogar Tiere unter ihnen befinden, die sie nicht einmal mehr als solche erkennen.«
Namri nickte bedächtig. Dann sagte er: »Derjenige, der dir die Falle stellte, wird gleich kommen und mit dir sprechen. Du solltest nicht versuchen, diesen Raum zu verlassen. Es wäre dein sicherer Tod.« Seine Gestalt straffte sich, und er ging durch den dunklen Korridor hinaus.
Noch lange nachdem er gegangen war, warf Leto ihm einen nachdenklichen Blick nach. Von draußen hörte er Stimmen; die leisen Gespräche von Männern, die Wache standen. Noch immer dachte Leto über die wunderhafte Vision nach, von der Namri gesprochen hatte. Sie erinnerte ihn an den langen Weg, der hinter ihm lag. Es störte ihn jetzt nicht mehr, ob er sich nun in Jacurutu/ Fondak oder sonstwo befand. Namri war zumindest kein Schmuggler. Er war irgend etwas Wichtigeres. Und das Spiel, das
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