Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
zerbricht.
Ein Brief an die MAFEA,
dem Prediger zugeschrieben
Leto verließ seinen Trancezustand mit einer solchen Sanftheit, daß er es kaum spürte. Mit einemmal war er wieder bei Bewußtsein.
Er wußte, wo er war. Seine Energie kehrte zurück, aber die abgestandene Tödlichkeit der sauerstoffarmen Luft innerhalb des Destillzeltes rief ihm eine Warnung zu. Wenn er sich jetzt nicht bewegte, würde der zeitlose Schlaf ihn bald wieder übermannen. Diese Aussichten übten auf ihn einen verführerischen Reiz aus. Er sah die Zeit als ein Abkommen an, das er mit dem kollektiven Bewußtsein seiner Empfindsamkeit getroffen hatte. Raum und Zeit waren Kategorien, die lediglich in seinem Innern existierten. Er brauchte sich nur frei zu machen von der Vielfalt der Visionen, die ihn lockten. Eine mutige Entscheidung konnte eine Reihe provisorisch existierender Zukünfte verändern.
Aber welchen Mutes bedurfte dieser Moment am meisten?
Das Trancestadium lockte ihn. Leto stellte fest, daß er das Alam al-Mithal gegen das Universum der Realität eingetauscht hatte, nur um feststellen zu müssen, daß beide miteinander identisch waren. Er wünschte sich, die Rihani-Magie dieser Offenbarung aufrechtzuerhalten, aber wenn er überleben wollte, verlangte die Situation Entscheidungen von ihm. Sein unerbittlicher Lebenswille sandte Impulse über sein Nervensystem aus.
Abrupt streckte er die rechte Hand aus und tastete nach der Stelle, an der er das Vielzweckwerkzeug abgelegt hatte. Er packte es, rollte sich auf den Bauch und öffnete den Zeltverschluß. Sand wirbelte auf seine Hand nieder. Er arbeitete in Dunkelheit und abgestandener Luft, rasch und sicher, und grub seinen Tunnel in einem steilen Winkel nach oben. Es waren sechs Körperlängen, die er zurückzulegen hatte, bevor er endlich ins Freie stieß und saubere Luft atmete. Er kroch über die mondbeschienene Oberfläche der Dünen und stellte fest, daß er sich nur ein Drittel ihrer Höhe vom Kamm entfernt befand.
Über ihm leuchtete der Zweite Mond. Er bewegte sich rasch über ihn hinweg, verschwand hinter dem Dünenkamm und ließ nur noch den Glanz der Sterne zurück, die wie einen Pfad begrenzende Edelsteine wirkten. Leto suchte nach dem Sternbild des Wanderers, fand es und ließ den Blick seinem ausgestreckten Arm in die Richtung Foum-al-Houts, des südlichen Polarsterns, folgen.
Da hast du dein verdammtes Universum! dachte er. Aus der Nähe gesehen unterschied es sich nicht im geringsten von der Betriebsamkeit des Sandes, der ihn umgab. Auch er war ein Ort ständiger Veränderung, in dem sich Einmaligkeiten aneinanderreihten. Aus der Ferne betrachtet stellten beide eine Herausforderung dar, die einen dazu verführten, an Absolutheiten zu glauben.
Wenn wir das tun, verlieren wir unseren Weg. Der Gedanke erinnerte ihn an ein Liedchen der Fremen, das ›Wer in der Tancerouft vom Weg abkommt, ist des Todes‹ hieß. Das, was die Wüste äußerlich ausmachte, konnte einen aus ihr herausführen. Es konnte einen aber ebensogut in eine Falle locken. Man durfte nie vergessen, daß sie ihr Aussehen ständig änderte.
Leto sog tief die Luft ein und zwang sich zur Aktion. Er rutschte zu dem von ihm gegrabenen Tunnel zurück, brach das Zelt ab, brachte es hinaus und verstaute es in seinem Überlebenspack.
Am östlichen Horizont nahm er ein Leuchten wahr. Mit geschultertem Gepäck erklomm er den Dünenkamm und blieb dort in der kühlen Luft des heraufdämmernden Morgens stehen, bis er die ersten Sonnenstrahlen auf der rechten Wange spürte. Dann schwärzte er seine Augenhöhlen, um die Reflexion des Lichts zu reduzieren. Es war immer besser, wenn man der Wüste entgegenkam, anstatt sie zu bekämpfen. Nachdem er die Schwärze wieder verstaut hatte, nahm er einen der Wasserfangschläuche in den Mund und versuchte zu trinken. Zuerst kamen ein paar Tropfen – dann nur noch Luft.
Er kniete sich hin, überprüfte den Destillanzug und kam schließlich zu den Fersenpumpen. Man hatte sie ziemlich geschickt mit einem Nadelmesser zerschnitten. Leto zog den Anzug aus und reparierte ihn, aber daran, daß er bereits die Hälfte der Flüssigkeit seines Körpers verschwendet hatte, war nichts mehr zu ändern. Wären die Fangtaschen des Destillzeltes nicht gewesen ... Er sinnierte, während er in den Destillanzug zurückschlüpfte, darüber nach, wie beängstigend es war, daß er so etwas nicht vermutet hatte.
Schließlich kauerte er sich auf dem Dünenkamm hin und genoß die Einsamkeit
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