Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
Direktheit und präzise Ausdrucksfähigkeit. Sie ist aber ebenso anfällig für Absoluta und bietet somit die besten Voraussetzungen für dogmatische Religionsformen. Des weiteren tendieren die Fremen zu starkem Moralisieren. Der erschreckenden Instabilität aller Dinge begegnen sie mit institutionalisierenden Feststellungen wie: ›Wir wissen, daß es keine Summe allen erfahrbaren Wissens gibt; dies ist Gott vorbehalten. Aber was immer Menschen lernen können, können sie auch behalten.‹ Abgesehen von dieser gefährlichen Einstellung in bezug auf das Universum sind sie vernarrt in Zeichen und Omen, die auf ihr eigenes Schicksal hindeuten. Darauf beruht auch der Ursprung ihrer Kralizec-Legende: Der Krieg am Ende des Universums.
Privatbericht der Bene Gesserit,
Rolle 800881
»Sie haben ihn an einem sicheren Platz«, sagte Namri und lächelte durch den quadratischen Raum Gurney Halleck zu. »Das kannst du deinen Freunden mitteilen.«
»Welchen sicheren Platz meinst du?« fragte Halleck. Ihm gefiel Namris Tonfall nicht, aber schließlich hatte er sich Jessicas Anordnungen zu unterwerfen. Verdammte Hexe! Ihre Erklärungen hatten für ihn keinen Sinn ergeben, außer daß es wichtig war, daß Leto seine schrecklichen Fähigkeiten unter Kontrolle brachte, weil sonst etwas passieren konnte, das ...
»Es ist ein sehr sicherer Platz«, erwiderte Namri. »Mehr kann ich dir nicht sagen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe einen Distrans bekommen. Sabiha ist bei ihm.«
»Sabiha! Sie war es doch, die ...«
»Diesmal wird sie es nicht tun.«
»Hast du vor, ihn umzubringen?«
»Das liegt nicht mehr in meinen Händen.«
Halleck verzog das Gesicht. Distrans. Welchen Gesetzen unterlagen diese verdammten Höhlenfledermäuse? Er hatte sie oft über die Wüste dahinfliegen sehen. Sie brachten Botschaften an andere Orte, die man vorher in ihre Stimmbänder programmiert hatte. Aber welche Strecken konnten sie auf diesem Höllenplaneten zurücklegen?
»Ich will ihn selbst sehen«, sagte Halleck.
»Das ist nicht erlaubt.«
Halleck sog tief Luft ein. Er mußte jetzt ruhig bleiben. Hinter ihm lagen zwei Tage und zwei Nächte, in denen er zu nichts anderem gekommen war, als auf die Berichte der Suchtrupps zu warten. Jetzt war bereits ein neuer Tag angebrochen, und mehr denn je spürte er, wie die Rolle, die er zu spielen hatte, ihm nicht behagte. Es war überhaupt niemals seine Art gewesen, Befehle zu erteilen. Sie verurteilten einen nur dazu, tatenlos herumzusitzen, während die anderen die wirklich interessanten Aufgaben zu erfüllen hatten.
»Und warum ist das nicht erlaubt?« fragte er. Die Schmuggler, die diesen Sietch zur Verfügung gestellt hatten, hatten bereits genug unbeantworteter Fragen aufgeworfen. Allmählich reichte es ihm. Wenn jetzt auch noch Namri in Rätseln redete ...
»Es gibt einige Leute, die glauben, daß du, als du diesen Sietch hier sahst, schon zuviel gesehen hast«, erwiderte Namri.
Halleck hörte die Drohung und entspannte sich, um die auf alles vorbereitete Position eines Kämpfers einzunehmen. Er hielt die Hände so, daß er sie jederzeit einsetzen konnte, verzichtete jedoch darauf, sie in die Nähe seines Messer zu bringen. Er wünschte sich einen Schild, aber da seine Schwingungen gewisse Auswirkungen auf eventuell in der Nähe befindliche Würmer ausüben konnten, mußte er darauf verzichten.
»Diese Geheimnistuerei ist aber kein Teil unseres Abkommens«, erinnerte er Namri.
»Und wenn ich ihn getötet hätte? Wäre das ein Teil unseres Abkommens gewesen?«
Erneut spürte Halleck die bedrohlichen Anzeichen einer Gefahr, von der Jessica ihn nicht gewarnt hatte. Dieser verdammte Plan, den sie verfolgte! Vielleicht sollte man einer Bene Gesserit wirklich niemals trauen. Aber im gleichen Moment kam er sich auch schon wieder unloyal vor. Sie hatte ihm soviel erklärt, wie sie für nötig hielt, und er hatte sich zur Mitarbeit bereit erklärt, in der sicheren Gewißheit, daß er später mehr erfahren würde. Jessica war nicht eine beliebige Bene Gesserit; sie war Jessica Atreides, eine Frau, die niemals etwas anderes für ihn sein würde als eine Freundin und Helferin. Ohne sie, wußte Halleck, wäre er in ein Universum hinausgetrieben, das weitaus mehr Gefahren bereithielt als das, in dem er lebte.
»Du kannst meine Frage nicht beantworten«, sagte Namri.
»Du solltest ihn lediglich dann töten«, erwiderte Halleck, »wenn er offensichtliche Anzeichen von ... Besessenheit offenbarte.
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