Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
nicht, von denen ich schon vorher weiß, daß ich sie tun werde«, sagte Leto. »Und zum erstenmal in meinem Leben kann ich meinen Vater verstehen.«
Da Ghanima sich irgendwie von seinen Gedanken ausgeschlossen fühlte, gab sie zu bedenken: »Vielleicht ist dieser Prediger nur ein alter Mystiker.«
»Ich bete darum«, flüsterte Leto. »Oh, wie ich darum bete!« Er rutschte nach vorn und stand auf. Das Baliset summte in seiner Hand, als er sich bewegte. »Ich wünschte nichts sehnlicher, als daß er sich als Gabriel ohne Horn entpuppt.« Wortlos starrte er auf die vom Mondlicht gebadete Wüste hinaus.
Ghanima drehte sich um und folgte seinem Blick. Irgendwo am Rande der Sietch-Anpflanzungen, auf denen verrottete Büsche lagen, brannten Feuer. Die Dünen leuchteten bis zu ihnen herauf. Dort draußen befand sich ein Land, in dem es sich zu leben lohnte, und selbst wenn die Wüste schlief, schien irgend etwas in ihr ständig wach zu sein.
Sie konnte diese Wachheit förmlich spüren, auch wenn sie sich lediglich darin manifestierte, daß kleine Wüstentiere sich an den Qanat schlichen, um aus ihm zu trinken. Letos Offenbarung hatte die Nacht verändert: sie lebte. Sie hatte das Gefühl, in diesem Fluß ständiger Veränderung ewig gültig bleibende Werte aus der äonenalten terranischen Vergangenheit wiederentdeckt zu haben. Ihr Bewußtsein war voll davon.
»Warum Jacurutu?« fragte sie. Ihr eigener Tonfall führte dazu, daß ihre Stimmung sich sofort veränderte.
»Warum ... Ich weiß es nicht. Als Stilgar uns damals erzählte, wie man die Leute dort umbrachte und den Ort für tabu erklärte, dachte ich ... das gleiche wie du. Aber jetzt droht uns von dort Gefahr ... und der Prediger.«
Sie antwortete nicht. Ebensowenig verlangte sie, daß er ihr mehr von diesen hellseherischen Träumen erzählen sollte. Gleichzeitig verstand sie, mit welchem Schrecken Leto diese Zurückhaltung erfüllen mußte. Das, was er jetzt durchzustehen hatte, führte genau auf den Weg der Abscheulichkeit. Beide wußten sie das. Und als sie sich umdrehten und auf den Rückweg machten, hing das Wort über ihnen wie ein drohendes Schwert. Abscheulichkeit.
7
Das Universum ist Gottes Eigentum. Es ist eine Einheit, ein Ganzes, dessen Teile identifizierbar sind. Vergängliches Leben, selbst das intelligente und begründbare Leben, das wir als empfindend bezeichnen, ist lediglich ein jederzeit abrufbarer Sachverhalt.
Kommentare der K.Ö.I. *
Während er über andere Dinge sprach, benutzte Halleck Handzeichen zum Übermitteln wirklich wichtiger Nachrichten. Ihm gefiel der kleine Vorraum nicht, den die Priester ihm für seinen Bericht zur Verfügung gestellt hatten, weil er wußte, daß es hier von geheimen Abhöreinrichtungen nur so wimmelte. Aber seine Handzeichen zu entschlüsseln, sollten sie nur versuchen. Die Atreides hatten diese Art der Kommunikation bereits seit Jahrhunderten eingesetzt, ohne daß Nichteingeweihte daraus je schlau geworden waren.
Draußen war es mittlerweile Nacht geworden, aber da der Raum fensterlos war und an der Decke mehrere Leuchtgloben hingen, war davon nichts zu bemerken.
»Viele von denen, die wir gefangennahmen, gehörten zu Alias Leuten«, signalisierte Halleck, während er Jessicas Gesicht beobachtete und ihr mit Worten zu verstehen gab, daß die Verhöre noch weiter andauerten.
»Also war es genauso, wie du vermutet hast«, gab Jessica zurück, ohne die Lippen zu bewegen. Sie nickte und sagte dann offen: »Ich erwarte einen vollständigen Bericht, sobald Sie fertig sind, Gurney.«
»Natürlich, Mylady«, erwiderte Halleck, während seine Finger sagten: »Es gibt da noch etwas, das mich stört. Unter dem Einsatz von Drogen sprachen einige der Gefangenen von Jacurutu. Kaum hatten sie das Wort über die Lippen gebracht, starben sie.«
»Konditionierter Herztod?« fragten Jessicas Finger, während sie sagte: »Haben Sie bereits Gefangene freigelassen?«
»Ein paar, Mylady«, sagte Halleck, »und zwar diejenigen, die sich offensichtlich lediglich tolpatschig verhielten.« Zu gleicher Zeit signalisierte er: »Wir vermuten etwas Ähnliches, sind uns aber noch nicht sicher. Die Ergebnisse der Autopsie sind noch nicht vollständig. Da ich der Meinung war, du solltest über diese Jacuturu-Geschichte sofort informiert sein, bin ich augenblicklich herübergekommen.«
»Mein Herzog und ich haben von Jacurutu seinerzeit angenommen, es handele sich dabei um eine Legende, die irgendwie auf einen realen
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