Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
solltest du wissen, daß ich darauf nicht den geringsten Wert lege. Ich werde lediglich Jarvid für dich übernehmen, und wenn es getan ist, ziehe ich mich wieder zurück. Du brauchst nur noch ...«
»Und welchen Nutzen soll mir dieser Ratschlag bringen?«
»Er befreit dich von einem gefährlichen Werkzeug. Und außerdem, mein Kind, bringt er eine Beziehung zwischen uns zustande, die dir bei deinen zukünftigen Entscheidungen nur dienlich sein kann.«
»... mir dienlich sein kann?«
»Natürlich!«
Alia bedeckte die Augen mit den Händen und versuchte nachzudenken, obwohl ihr bewußt war, daß das Wesen in ihr jeden Gedanken mitbekam und möglicherweise sogar Ideen in ihr Gehirn eingab, von denen sie annehmen mußte, es seien ihre eigenen.
»Du machst dir grundlos Sorgen«, schmeichelte der Baron ihr. »Dieser Paymon war ...«
»Was ich tat, war falsch! Ich war erschöpft und handelte übereilt. Ich hätte mir von einem zweiten Mann eine Bestätigung einholen sollen und ...«
»Du hast völlig richtig gehandelt! Das Urteil, das du fälltest, konnte nicht unter den obskuren Gleichheitssatz der Atreides fallen. Und das ist es, was dich nicht einschlafen ließ, nicht Paymons Tod! Du hast eine gute Entscheidung getroffen, denn auch er war nichts weiter als ein gefährliches Werkzeug. Du hast versucht, Ordnung in diese Gesellschaft hineinzubringen. Natürlich gibt es gute Gründe, eine solche Ordnung aufzubauen – aber sie bedarf doch nicht dieses juristischen Unfugs! Die Gleichheit vor dem Gesetz existiert nirgendwo. Und es ist nicht gut für eine Gesellschaft, wenn man versucht, ihr eine derartige, falsch verstandene Balance aufzuzwingen!«
Obwohl Alia die Unterstützung ihrer Entscheidung mit einer gewissen Dankbarkeit aufnahm, fühlte sie sich gleichzeitig von der hinter diesen verteidigenden Worten auftauchenden Amoralität abgestoßen. »Die Gleichheit vor dem Gesetz ... war stets ... eine Sache, für die sich die Atreides ...« Sie zog die Hände zurück, hielt jedoch die Augen geschlossen.
»Ebensogut könnte man jeden einzelnen deiner priesterlichen Ratgeber wegen dieses Fehlers zur Rechenschaft ziehen«, warf der Baron hitzig ein. »Man kann Entscheidungen nur anhand der Effektivität der Nutzbarkeit für das Gesamtsystem treffen. In der Vergangenheit gab es zahllose Zivilisationen, deren Gesellschaftsformen auf dem Gleichheitsprinzip vor dem Gesetz basierten. Narreteien wie diese dienen lediglich dazu, das hierarchische Gefüge zu zerstören. Jedes Individuum ist nur daran zu messen, welchen Wert es für die Gesamtgesellschaft darstellt. Wenn eine Gesellschaft alle gleichmacht, wird niemand seinen Platz in ihr finden – weder der Niedere, noch der Höhere. Komm, komm, Kind! Du mußt deinem Volk eine gestrenge Mutter sein. Allein das ist deine Pflicht, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.«
»Alles, was Paul tat, war ...«
»Dein Bruder ist tot. Er war ein Versager!«
»Ebenso wie du!«
»Das stimmt ... aber was mein Ableben anbetrifft, so war es eher ein Unfall, der jenseits meiner Erwartung lag. Komm, laß uns zuerst diesen Jarvid versorgen; so, wie ich es dir geraten habe.«
Alia spürte, wie ihr Körper bei diesem Gedanken vor Hitze erbebte und erwiderte: »Ich muß darüber nachdenken.« Und sie dachte: Falls es soweit kommt, dann nur deswegen, um Jarvid in seine Schranken zu verweisen. Es gibt kein Bedürfnis, ihn deswegen zu töten. Und möglicherweise wird der Narr all seine Pläne vergessen – wenn er erst einmal in meinem Bett liegt.
»Mit wem sprechen Sie, Mylady?« fragte eine Stimme.
Einen verwirrenden Augenblick lang vermutete Alia, daß sich eine weitere Stimme aus ihrem Unterbewußtsein gemeldet habe. Sie öffnete die Augen und stellte fest, daß ihr ein Irrtum unterlaufen war. Ziarenka Valefor, die Führerin von Alias Amazonen, stand neben der Bank. Ein besorgter Ausdruck lag auf ihren von Wind und Wetter gegerbten Zügen.
»Ich sprach zu meinen inneren Stimmen«, sagte Alia, setzte sich auf und fühlte sich seltsamerweise erfrischt. Ihr schien, als hätte sie eine unbekannte Kraft aus den Tiefen an die Oberfläche eines Sees gespült.
»Ihre inneren Stimmen, Mylady. Natürlich.« Ziarenkas Augen leuchteten, als sie diese Erklärung vernahm, denn jeder wußte, daß die Heilige Alia zuweilen mit Ratgebern sprach, deren Anwesenheit jedem gewöhnlichen Menschen verborgen blieb.
»Man soll Jarvid in mein Quartier bringen«, sagte Alia. »Ich habe eine ernsthafte Angelegenheit
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