Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
mit ihm zu besprechen.«
»In Ihr Quartier, Mylady?«
»Ja. In meine privaten Räume.«
»Wie Mylady befehlen.« Die Wächterin gehorchte augenblicklich und zog sich zurück.
»Einen Moment noch«, sagte Alia. »Ist Meister Idaho bereits zum Sietch Tabr unterwegs?«
»Ja, Mylady. Er verließ uns, bevor der Tag anbrach, genau wie Sie angeordnet haben. Wünschen Sie, daß ich ihm jemanden nachsende, um ...«
»Nein. Ich werde selbst dafür sorgen. Und, Zia, niemand darf davon erfahren, daß Jarvid mich besuchen wird. Sie sind mir dafür verantwortlich. Es dreht sich wirklich um sehr ernste Dinge.«
Die Wächterin berührte das an ihrer Hüfte baumelnde Crysmesser. »Mylady, handelt es sich um einen Verrat, den Sie ...«
»Ja, es handelt sich um einen Verrat. Und möglicherweise hat Jarvid damit zu tun.«
»Oh! Mylady, vielleicht sollte ich dann doch nicht ...«
»Zia! Glaubst du ernsthaft, ich würde mit einem solchen Problem nicht selber fertig werden?«
Ein schüchternes Lächeln legte sich auf das Gesicht der Wächterin. »Verzeihen Sie mir, Mylady. Ich werde ihn sofort persönlich in Ihre Privaträume führen, aber ... mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne einige auf alles vorbereitete Wachen vor der Tür postieren.«
»Du allein wirst genügen«, sagte Alia.
»Jawohl, Mylady. Ich gehe sofort.«
Alia nickte und warf Ziarenka einen kurzen Blick nach. Also war Jarvid auch schon unter ihren Wächterinnen nicht mehr beliebt. Auch das war ein Anzeichen, das gegen ihn sprach. Aber er war dennoch von Wert, von großem Wert. Er stellte den Schlüssel dar, der nach Jacurutu führte, und was diesen Ort anbetraf, nun ...
»Vielleicht hattest du doch recht, Baron«, flüsterte sie.
»Siehst du?« Die Stimme in ihrem Inneren kicherte. »Ah, es wird mir ein Vergnügen sein, dir zu dienen, mein Kind. Und das ist erst der Anfang ...«
12
Es gibt in der Geschichte einige populäre Illusionen, die eine erfolgreiche Religion nicht außer acht lassen darf: die, daß böse Menschen niemals siegen werden; die, daß nur dem Tapferen die Ehre gebührt; die, daß Bescheidenheit die beste Zier ist; die, daß Taten mehr zählen als Worte; die, daß der Tugendhafte letztlich triumphiert; die, daß eine gute Tat in sich selbst schon eine Belohnung ist; die, daß man jeden schlechten Menschen zu bekehren vermag; die, daß religiöse Talismane einen vor den Dämonen bewahren; die, daß nur Frauen in der Lage sind, die Mysterien der Vergangenheit zu verstehen – und daß die Reichen dazu verflucht sind, auf ewig unglücklich zu sein ...
Aus den Einleitungsworten
der Missionaria Protectiva
»Man nennt mich Muriz«, sagte der lederhäutige Fremen.
Er saß in einer Felsenhöhle unter dem flackernden Licht eines Leuchtkörpers. Mehrere Löcher in der Wand zeigten an, daß es mehrere Möglichkeiten gab, den Platz, an dem er sich aufhielt, zu betreten. Aus einem der abzweigenden Gänge erklang das Geräusch tropfenden Wassers. Obwohl Geräusche dieser Art jeden Fremen an das Paradies erinnerten, nahmen die sechs gefesselten Männer, die Muriz ansah, keine Notiz davon. Der Geruch einer Totendestille beherrschte den Raum.
Aus einem Gang tauchte plötzlich ein etwa vierzehnjähriger Junge auf und stellte sich links von Muriz hin. Die offene Klinge eines Crysmessers reflektierte das Licht der kleinen Lampe, als er das Messer hob und damit auf die gefesselten Männer deutete. Muriz deutete auf den Jungen und sagte: »Dies ist Assan Tarig, mein Sohn, der sich darauf vorbereitet hat, den Test der Männlichkeit abzulegen.«
Er räusperte sich und starrte die sechs Gefangenen an. Sie saßen in einem losen Halbkreis vor ihm auf dem Boden, gebunden mit Schnüren aus Glasfaser, unfähig, sich zu bewegen. Man hatte ihre Beine verkreuzt geschnürt. Ihre Hände lagen auf dem Rücken und drückten, da sie mit dem Hals verbunden waren, die Kehlen der Gefangenen zu. Man hatte zudem ihre Destillanzüge genau an dieser Stelle weggeschnitten.
Ohne mit der Wimper zu zucken, starrten die Männer Muriz an. Zwei von ihnen trugen die losen Gewänder von Fremdweltlern und deuteten damit an, daß sie zu den wohlhabenden Bewohnern einer arrakisischen Stadt zählten. Ihre Haut unterschied sich ebenfalls von der ihrer Begleiter: sie war weicher und dünner. Zweifellos waren die anderen vier in der Wüste geboren worden, denn sie waren von knochiger Gestalt und wirkten zäh. Muriz glich eher den Städtern, aber seine Augen lagen tiefer in den Höhlen
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