Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
war, daß ich sie nur kriechend statt krabbelnd durchdringen konnte. Dort, im tanzenden Schein einer Harzfackel, malte ich auf den Wänden und der Decke die Geschöpfe der Jagd und die Seelen meines Volkes. Wie erleuchtend es ist, durch einen vollkommenen Kreis einen Blick zurückzuwerfen auf den uralten Kampf um die Sichtbarmachung der Seele. Die gesamte Zeit erzittert unter dem Ruf: »Hier bin ich!« Mit einem Geist, der das Wissen künstlerischer Riesen enthält, die später kamen, werfe ich einen Blick auf die Handabdrücke und gespannten Muskeln, die mit Holzkohle und Pflanzensäften auf den Fels gezeichnet sind. Wieviel mehr sind wir als bloße mechanische Ereignisse! Und mein unhöfliches Ich verlangt zu wissen: »Wie kommt es, daß sie die Höhle nicht verlassen wollen?«
Die gestohlenen Journale
Die Einladung, Moneo in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen, erreichte Idaho am späten Nachmittag. Er hatte den ganzen Tag damit zugebracht, in seiner Unterkunft auf dem Sofa zu sitzen und nachzudenken. Und jeder seiner Gedanken war aus der Lässigkeit geboren worden, mit der Moneo ihn an diesem Morgen auf den Korridorboden geworfen hatte.
»Sie sind eben ein älteres Modell.«
Je mehr er darüber nachdachte, desto kleiner kam er sich vor. Erst als der Gedanke verblaßte, kehrte sein Lebenswille zurück und ließ dort, wo er sich selbst ausgebrannt hatte, ein Aschehäufchen zurück.
Ich bin ein nützlicher Spermabehälter, das ist alles, dachte er.
Das war ein Gedanke, der entweder den Tod oder den Hedonismus einlud. Er kam sich vor, als hätte man ihm ein Betäubungsmittel verabreicht und schlüge von allen Seiten auf ihn ein.
Die junge Melderin in der hübschen blauen Uniform trug nur noch mehr zu seiner Verwirrung bei. Nachdem er mit leiser Stimme auf ihr Klopfen reagiert hatte, trat sie ein, blieb im Eingang des Vorzimmers stehen und zögerte, bis sie seine Laune richtig eingeschätzt hatte.
Wie schnell Worte sich doch verbreiten, dachte Idaho.
Er sah sie da stehen, eingerahmt von den Portalwänden, das Musterbeispiel einer Gardistin. Sie sah zwar wollüstiger aus als manche andere, wirkte aber nicht aufdringlich geil. Die blaue Uniform verbarg ihre anmutigen Hüften ebensowenig wie ihre strammen Brüste. Idaho musterte ihr elfenhaftes Gesicht und ihr volles, blondes Haar. Sie hatte den Schnitt einer Anwärterin.
»Moneo schickt mich, um eine Erkundigung einzuziehen«, sagte sie. »Er läßt anfragen, ob Sie ihn in seinem Arbeitszimmer aufsuchen wollen.«
Idaho hatte das Arbeitszimmer mehrere Male betreten, aber er erinnerte sich von seinem ersten Besuch her immer noch am besten daran. Schon als er den Raum betreten hatte, war ihm bewußt geworden, daß Moneo den größten Teil seiner Zeit in dieser Umgebung verbrachte. Es gab dort einen Tisch aus dunkelbraunem Holz mit feiner Goldverzierung – einen Tisch, der einen Meter breit und zwei Meter lang war und inmitten grauer Sitzkissen auf Stummelbeinen stand. Idaho war der Tisch als etwas Seltenes und Teures erschienen, den man nur aus einem einzigen Grund auserwählt hatte. Der Tisch und die Kissen – die dasselbe Grau aufwiesen wie der Boden, die Wände und die Decke – stellten die gesamte Möblierung dar.
Wenn man die Machtfülle des Mannes berücksichtigte, der diesen Raum bewohnte, war das Zimmer klein. Es umfaßte zwanzig Quadratmeter, hatte aber eine hohe Decke. Das Licht fiel durch zwei schmale, verglaste Fenster herein, die sich gegenüberlagen. Von hier aus hatte man einen bemerkenswerten Ausblick, schon aufgrund der Höhe. Einmal konnte man die nordwestlichen Ausläufer der Sareer und die daran angrenzende Grünfläche des Verbotenen Waldes sehen – auf der anderen Seite, im Südwesten, sah man über die Wanderdünen hinweg.
Kontrast.
Der Tisch hatte seinem ersten Gedanken eine interessante Betonung verliehen. Seine Oberfläche hatte den Eindruck erweckt, als stelle sie den Gedanken der Unordnung zur Schau. Auf der Schreibfläche lagen überall Blätter aus Kristallpapier verstreut, so daß man von dem verzierten, hölzernen Untergrund nur da und dort etwas wahrnehmen konnte. Einige der Papiere waren sorgfältig bedruckt. Idaho erkannte Worte in Galach und vier anderen Sprachen – einschließlich jenes Idioms, das auf Perth gesprochen wurde. Mehrere andere Blätter wiesen Skizzen und Entwürfe auf und manche waren mit den dicken und schwarzen Pinselschriftzeichen der Bene Gesserit bekritzelt. Am interessantesten waren ihm jedoch
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