Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
Siona an.
»Wir werden uns später entscheiden«, sagte Siona. Sie nahm Idahos Arm. »Der Kommandant und ich möchten zunächst ein wenig in Goygoa herumstreifen und die Sehenswürdigkeiten bewundern.«
Inmeir schien etwas sagen zu wollen, blieb aber still.
Idaho erlaubte Siona, ihn an den neugierig starrenden Männern vorbeizuführen.
»Ich schicke zwei Wachen mit«, rief Inmeir hinter ihnen her.
Siona blieb stehen und schaute zurück. »Ist es in Goygoa nicht sicher?«
»Es ist sehr friedlich hier«, sagte einer der Männer.
»Dann werden wir keine Wachen brauchen«, sagte Siona. »Sollen sie doch den Thopter bewachen.«
Erneut nahm sie Idahos Arm und führte ihn auf das Dorf zu.
»Na schön«, sagte Idaho und befreite sich aus ihrem Griff.
»Was hat es mit diesem Ort auf sich?«
»Sie werden mit aller Wahrscheinlichkeit feststellen, daß man sich hier wirklich sehr gut ausruhen kann«, sagte Siona. »Goygoa hat nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit dem alten Shuloch. Es ist friedlich hier.«
»Sie führen doch was im Schilde«, sagte Idaho, der neben ihr herging. »Um was geht es?«
»Ich habe oft gehört, daß Gholas sehr wissensdurstig sind«, sagte Siona. »Aber auch ich pflege viele Fragen zu stellen.«
»Tatsächlich?«
»Wie war er in den alten Zeiten, als er noch ein Mensch war, dieser Leto?«
»Welchen meinen Sie?«
»Oh, ich vergaß – es gab ja zwei: den Großvater und unseren Leto. Ich meine natürlich unseren.«
»Er war ein Kind; mehr weiß ich nicht.«
»Die mündlichen Überlieferungen sagen, daß eine seiner ersten Bräute aus diesem Dorf kam.«
»Bräute? Ich dachte ...«
»Das war, als er noch ein menschliches Aussehen hatte. Nach dem Tod seiner Schwester. Aber vorher fing er an, sich in den Wurm zu verwandeln. Die mündlichen Überlieferungen sagen, daß die Bräute Letos in den Labyrinthen der kaiserlichen Zitadelle verschwanden und niemals wiedergesehen wurden – außer in Form von Gesichtern und Stimmen, die von einem Holo übertragen wurden. Er hat seit Tausenden von Jahren keine Braut mehr gehabt.«
Sie hatten inzwischen einen kleinen, quadratischen Platz im Zentrum der Ortschaft erreicht. Er war etwa fünfzig Meter im Geviert, und in seinem Mittelpunkt befand sich ein von niedrigen Mauern umgebenes, seichtes Wasserbecken. Siona ging auf die Mauer zu und nahm auf ihrer felsigen Oberfläche Platz. Mit der Hand klopfte sie auf den Stein neben sich und lud Idaho ein, sich zu ihr zu gesellen. Idaho schaute sich zuerst um. Er registrierte, daß die Leute hinter zugezogenen Gardinen standen und sie musterten. Die Kinder deuteten mit den Fingern auf sie und wisperten. Dann wandte er sich um und sah Siona an.
»Was hat es mit diesem Ort auf sich?«
»Ich sagte es doch schon. Erzählen Sie mir etwas von Muad'dib.«
»Er war der beste Freund, den ein Mensch je haben konnte.«
»Dann stimmen also die mündlichen Überlieferungen. Das Kalifat seiner Erben nennen sie allerdings ›Die Desposyni‹, und das hat einen bösen Klang.«
Sie will mich ködern, dachte Idaho.
Er gestattete sich ein unmerkliches Lächeln und fragte sich, welches ihre Motive waren. Siona schien auf irgendein wichtiges Ereignis zu warten. Sie war gespannt – schien sich sogar zu fürchten. Aber in ihrer Stimme klang so etwas wie Aufgedrehtheit mit. Es war alles da. Nichts von dem, was sie im Augenblick sagte, durfte er als belangloses Gerede ansehen. Sie füllte die Minuten aus, damit ... damit was?
Das leise Geräusch rennender Füße drängte seine Gedanken beiseite. Idaho wandte sich um und sah, daß ein etwa achtjähriger Junge aus einer Seitengasse heraus auf ihn zulief. Die nackten Füße des Kindes wirbelten während des Laufens kleine Staubwölkchen auf. Dann vernahm er den verzweifelten Ruf einer Frauenstimme, der irgendwo von oberhalb der Straße kam. Der Junge blieb etwa zehn Schritte von ihm entfernt stehen und musterte Idaho mit einem hungrigen Blick, dessen Intensität ihn unsicher machte. Der Junge kam ihm irgendwie bekannt vor. Er war von kräftiger Statur, hatte lockiges, dunkles Haar und ein noch unfertig aussehendes Gesicht, das aber zeigte, daß schon ein Mann in ihm steckte. Er hatte hohe Wangenknochen und gerade Augenbrauen. Bekleidet war er mit einem verblaßten Hosenanzug, der zwar allzu oft gewaschen worden war, seine Existenz aber offensichtlich als teures Kleidungsstück begonnen hatte. Er sah aus, als bestünde er aus gerippter Punji-Baumwolle. Material wie dieses
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