Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
So, wie Odrade war, würde sie nicht anders können.
»Der falsche Glaube an die Vorsehung«, sagte Waff. »Das ist es doch, wovon dieses Dokument redet? Sagt es nicht aus, daß der Geist des Gläubigen stagniert?«
»Genau!« sagte Tuek. Er war für diesen Einwurf des Tleilaxu dankbar. Genau das war der Kern dieser gefährlichen Ketzerei!
Waff sah ihn nicht an, sondern hielt den Blick weiterhin auf Odrade gerichtet. Hielten die Bene Gesserit ihre Absicht etwa für unergründlich? Sollten sie auf eine größere Macht stoßen; sie hielten sich für unüberwindlich! Aber natürlich konnten sie nicht wissen, inwiefern der Allmächtige über die Zukunft des Shariat wachte!
Tuek war nun nicht mehr zu halten. »Es greift alles an, was uns heilig ist! Und es wird überall verbreitet!«
»Von den Tleilaxu«, sagte Odrade.
Waff hob seine Ärmel etwas an und richtete die Geschosse auf Tuek. Er zögerte nur, weil er erkannt hatte, daß Odrade sein Vorhaben teilweise durchschaute.
Tuek sah von einem zum anderen. Entsprach Odrades Anschuldigung der Wahrheit? Oder handelte es sich schon wieder um einen Trick der Bene Gesserit?
Odrade sah Waffs Zögern und vermutete dessen Grund. Sie dachte rasch nach und suchte nach einer Antwort für sein Motiv. Welchen Vorteil konnten die Tleilaxu daraus ziehen, wenn sie Tuek töteten? Dem Anschein nach hatte Waff vor, den Hohepriester durch einen seiner Gestaltwandler zu ersetzen. Aber was würde ihm dies einbringen?
Um Zeit zu gewinnen, sagte sie: »Sie sollten sehr vorsichtig sein, Botschafter Waff.«
»Wann hat die Vorsicht je große Notwendigkeiten beeinflußt?« fragte Waff.
Tuek richtete sich auf und bewegte sich schwerfällig zur Seite. Er rang die Hände. »Bitte! Dies ist ein geheiligter Bereich! Wir dürfen hier nicht über Ketzereien reden – es sei denn, wir haben vor, sie aus der Welt zu schaffen.« Er sah auf Waff hinab. »Es ist nicht wahr, oder? Sie gehören nicht zu den Verfassern dieses entsetzlichen Dokuments?«
»Von uns stammt es nicht«, gab Waff ihm recht. Diese Spottgeburt eines Priesters! Verdammt soll er sein! Tuek hatte sich ein gutes Stück abseits begeben. Er war nun ein bewegtes Ziel, das schwieriger zu treffen war.
»Ich wußte es!« sagte Tuek, während er hinter Waff und Odrade auf und ab ging.
Odrade behielt Waff im Auge. Er plante einen Mord! Dessen war sie sich ganz sicher.
Hinter ihrem Rücken sagte Tuek: »Sie haben ja keine Ahnung, wie sehr Sie uns Unrecht tun, Ehrwürdige Mutter. Ser Waff hat uns gebeten, mit ihm ein Melange-Kartell zu bilden. Ich erklärte ihm, daß die Preise, die wir von Ihnen verlangen, unverändert bleiben müßten, weil eine der Ihren die Großmutter Gottes war.«
Waff senkte abwartend den Kopf. Der Priester würde schon wieder in seine Reichweite kommen. Gott würde nicht zulassen, daß er fehlte.
Tuek stand hinter Odrade und sah auf Waff hinab. Ein Frösteln durchlief den Priester. Die Tleilaxu waren so ... so aufdringlich und unmoralisch. Man konnte ihnen nicht trauen. Wie konnte man einem Dementi Waffs nur glauben?
Ohne Waff aus den Augen zu lassen, sagte Odrade: »War die Aussicht auf erhöhte Einnahmen denn nicht attraktiv für Sie, M'Lord Tuek?« Sie sah, wie Waffs rechter Arm eine andere Richtung einschlug. Jetzt zielte er fast auf sie. Seine Absichten wurden immer klarer.
»M'Lord Tuek«, sagte Odrade, »dieser Tleilaxu hat vor, uns beide umzubringen.«
Sie hatte diese Worte noch nicht ganz ausgesprochen, als Waffs Arme hochzuckten und den Versuch unternahmen, beide Ziele gleichzeitig ins Auge zu fassen. Bevor seine Muskeln jedoch reagierten, war Odrade auf dem Sprung. Sie hörte das leise Zischen von Pfeilwerfern, spürte jedoch keinen Einstich. Ihr linker Arm kam hoch und zerschmetterte Waffs rechten Arm. Ihr rechter Fuß brach seinen linken.
Waff schrie auf.
Eine derartige Schnelligkeit hätte er in einer Bene Gesserit niemals vermutet. Es war beinahe dem ebenbürtig, was er auf dem ixianischen Konferenzschiff in der Geehrten Mater erkannt hatte. Trotz seiner Schmerzen wurde ihm klar, daß er dies melden mußte. Ehrwürdige Mütter, die unter Zwang über synoptische Ausweichmöglichkeiten geboten!
Die Tür hinter Odrade flog auf. Die beiden Gestaltwandler Waffs stürmten in den Saal. Aber Odrade befand sich bereits hinter ihrem Herrn und hatte beide Hände an seiner Kehle. »Zurück!« rief sie. »Oder er stirbt!«
Die beiden erstarrten.
Waff krümmte sich in ihrem Griff.
»Stillhalten!«
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