Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
zugestehen?«
»Der Mensch ist nur ein Kiesel, den man in einen Teich geworfen hat«, zitierte sie einen seiner eigenen Glaubenssätze.
Waff atmete zitternd ein. Sie sagte die richtigen Worte – aber was lag hinter ihnen? Aus dem Munde einer Powindah-Frau hörten sie sich plötzlich nicht mehr richtig an.
Da Waff nicht reagierte, fuhr Odrade mit dem Zitat fort: »Und wenn der Mensch nur ein Kiesel ist, kann das, was er tut, auch nicht mehr sein.«
Unwillkürlich durchfuhr sie ein Frösteln, und auf den sorgfältig aufrechterhaltenen Maskengesichtern der Schwestern ringsum erschien ein verhüllter Ausdruck von Überraschung. Dieses Frösteln war nicht gemimt.
Warum denke ich in diesem Augenblick an die Worte des Tyrannen? fragte sich Odrade.
»KÖRPER UND SEELE DER BENE GESSERIT WIRD DAS GLEICHE SCHICKSAL EREILEN, WIE KÖRPER UND SEELE ALLER ANDEREN.«
Sein Widerhaken war tief in sie eingedrungen.
Was hat mich so verletzlich gemacht? Die Antwort sprang förmlich in ihren Geist: Das Atreides-Manifest!
Als ich es unter Tarazas wachsamer Anleitung schrieb, hat sich in mir ein Spalt geöffnet.
War dies Tarazas Ziel gewesen: Odrade verletzlich zu machen? Wie hätte Taraza wissen können, was sie auf Rakis entdecken würde? Die Mutter Oberin verfügte nicht über hellseherische Fähigkeiten. Sie neigte sogar dazu, dieses Talent in anderen zu übersehen. Bei einer seltenen Gelegenheit hatte sie von Odrade verlangt, ihr diesbezügliches Talent unter Beweis zu stellen. Ihre Zurückhaltung dabei war für das ausgebildete Auge einer Schwester offensichtlich gewesen.
Und doch hat sie mich verletzlich gemacht.
War es aus Zufall passiert?
Odrade versenkte sich in ein rasches Rezitieren der Litanei gegen die Furcht. Es dauerte nur ein paar Herzschläge lang, aber während dieser Zeit kam Waff offensichtlich zu einer Entscheidung.
»Sie würden es uns aufzwingen«, sagte er. »Aber Sie wissen nicht, welche Kräfte wir uns für einen solchen Moment aufgespart haben.« Er hob die Arme, um zu zeigen, wo einst seine Pfeilwerfer gewesen waren. »Im Vergleich mit unseren richtigen Waffen waren das hier lediglich Spielzeuge.«
»Daran hat die Schwesternschaft nie gezweifelt«, sagte Odrade.
»Wird es zu einem Gewaltkonflikt zwischen uns kommen?« fragte Waff.
»Es liegt an Ihnen, dies zu entscheiden«, erwiderte Odrade.
»Warum hofieren Sie die Gewalt?«
»Es gibt Kräfte, die es gern sehen würden, wenn sich die Bene Gesserit und die Bene Tleilax an die Gurgel fahren«, sagte Odrade. »Es würde unseren Gegnern großen Spaß machen, auf der Szene zu erscheinen und unsere Reste einzusammeln, wenn wir uns total verausgabt haben.«
»Sie tun so, als wären wir der gleichen Meinung, aber Sie lassen meinem Volk keinen Verhandlungsspielraum! Vielleicht hat die Mutter Oberin Ihnen gar keine Autorität verliehen, um zu verhandeln.«
Wie verlockend es doch war, alles in Tarazas Hände zurückzugeben, so, wie sie es gerne gehabt hätte. Odrade sah die Wach-Schwestern an. Ihre Gesichter waren nichtssagende Masken. Was wußten sie wirklich? Würden sie es merken, wenn sie gegen Tarazas Anweisungen verstieß?
»Haben Sie die nötige Autorität?« hakte Waff ein.
Ein edles Ziel, dachte Odrade. Der Goldene Pfad des Tyrannen zeigte wenigstens einen Charakterzug eines solchen Ziels auf.
Odrade entschied sich für eine Notlüge. »Ich bin mit der nötigen Autorität ausgestattet«, sagte sie. Ihre Worte machten die Lüge zur Wahrheit. Jetzt, wo sie sich die nötige Autorität einfach genommen hatte, konnte Taraza sie ihr unmöglich streitig machen. Odrade wußte jedoch, daß ihre eigenen Worte ihr einen Kurs auferlegten, der sich deutlich von dem, dessen Tarazas Plan zugrundelag, unterschied.
Unabhängiges Handeln. Genau das, was sie von Albertus verlangt hatte. Aber ich bin an der Front, und ich weiß, was unerläßlich ist.
Odrade sah die beiden Wach-Schwestern an. »Bleibt bitte hier – und achtet darauf, daß wir nicht gestört werden!« Zu Waff sagte sie: »Wir können es uns ebenso gut bequem machen.« Sie deutete auf zwei Stuhlhunde, die sich am anderen Ende des Raums gegenübersaßen.
Odrade wartete, bis sie sich niedergelassen hatten, dann nahm sie das Gespräch wieder auf. »Wir müssen untereinander zu einem gewissen Grad an Aufrichtigkeit kommen, auch wenn die Diplomatie dies selten erlaubt. Es hängt für uns zuviel in der Schwebe, als daß wir uns seichten Geplänkeln hingeben könnten.«
Waff musterte sie auf
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