Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
intensiven Analyse unterzogen. Sheeana empfand die Ehrfurcht dieser Kinder jedoch als eine Bürde. Es kam selten vor, daß sie das gleiche Kind ein zweites Mal rufen ließ; sie hatte es lieber, wenn sie von neuen Spielgefährten neue Dinge lernte.
Die Priester kamen zu keiner übereinstimmenden Einschätzung der Unschuld solcher Begegnungen. Man unterzog ihre Spielgefährten furchteinflößenden Verhören, bis Sheeana davon erfuhr und ihre Wächter beschimpfte.
Es war unausweichlich, daß die Nachricht von ihrer Existenz sich auf Rakis verbreitete und schließlich auch anderswo bekannt wurde. Die Berichte, die bei der Schwesternschaft eingingen, wurden zahlreicher. Die Jahre vergingen in einer Art sublim-autokratischer Routine und erfüllten Sheeana weiterhin mit Neugier. Ihre Neugier schien keine Grenzen zu kennen. Keiner derjenigen, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielten, hielt das, was geschah, für einen erzieherischen Akt: Sheeana belehrte die Priester von Rakis, und diese wiederum brachten ihr etwas bei. Die Bene Gesserit jedoch erkannten diesen Aspekt ihres Lebens sofort und beobachteten ihn sorgfältig.
»Sie ist in guten Händen. Laßt sie dort, bis sie für uns bereit ist«, ordnete Taraza an. »Eine Verteidigungseinheit soll ständig auf dem Posten bleiben, und sorgt dafür, daß ich regelmäßig unterrichtet werde.«
Nicht ein einziges Mal offenbarte Sheeana ihre wahre Herkunft. Sie verriet auch nicht, was Shaitan ihrer Familie und ihren Nachbarn angetan hatte. Dies war ganz allein eine private Sache zwischen Shaitan und ihr. Sie war der Meinung, ihr Schweigen müsse der Preis dafür sein, daß sie verschont geblieben war.
Manche Dinge verblaßten allmählich für sie. Sheeana ging weniger als zuvor in die Wüste. Ihre Neugier blieb jedoch erhalten, und es wurde offensichtlich, daß man eine Erklärung für das Verhalten Shaitans ihr gegenüber nicht in der Wüste finden würde. Zwar wußte sie, daß es auf Rakis Stützpunkte anderer Mächte gab, aber die Bene Gesserit-Spitzel, die sich in den Reihen ihres Personals befanden, sorgten schon dafür, daß sie kein allzu großes Interesse an der Schwesternschaft zeigte. Man hatte nichtssagende Antworten vorbereitet, die ein etwaiges Interesse Sheeanas erstickten und sie, wenn erforderlich, ins Leere laufen ließen.
Die Botschaft Tarazas an ihre Beobachter auf Rakis war direkt und kam sofort zum Kern der Sache: »Aus den generationenlangen Vorbereitungen sind Jahre der Verfeinerung geworden. Wir werden nur im passenden Augenblick eine Bewegung machen. Wir können nicht länger daran zweifeln, daß dieses Kind dasjenige ist.«
10
So wie ich es einschätze, haben die Reformatoren mehr Elend geschaffen als jede andere Macht in der Geschichte der Menschheit. Zeigt mir jemanden, der sagt: »Es muß etwas getan werden!«, und ich zeige euch einen Kopf voller bösartiger Absichten, die sich anderswo nicht austoben können. Wonach wir stets streben müssen, ist das Auffinden des natürlichen Flusses, und mit ihm müssen wir gehen.
Die Ehrwürdige Mutter Taraza
Gesprächsaufzeichnung
BG-Akte GSXXMAT9
Der Himmel über ihm hob sich, als die Sonne Gammus höherstieg. Sie saugte den Geruch des Grases und der umliegenden Wälder auf, mitsamt der morgendlichen Feuchtigkeit.
Duncan Idaho stand an einem Verbotenen Fenster und sog die Gerüche ein. An diesem Morgen hatte Patrin zu ihm gesagt: »Du bist fünfzehn Jahre alt. Du solltest dich als einen jungen Mann ansehen. Du bist jetzt kein Kind mehr.«
»Habe ich heute Geburtstag?«
Sie befanden sich in Duncans Schlafraum, und Patrin hatte ihn gerade geweckt und ein Glas Zitronensaft gebracht.
»Ich weiß nicht, wann du Geburtstag hast.«
»Haben Gholas überhaupt Geburtstag?«
Patrin blieb stumm. Es war verboten, mit dem Ghola über Gholas zu sprechen.
»Schwangyu sagt, daß du diese Frage nicht beantworten kannst«, sagte Duncan.
Sichtlich überrascht erwiderte Patrin: »Der Bashar hat mir aufgetragen, dir zu sagen, daß deine Ausbildung heute verspätet beginnt. Er wünscht, daß du deine Bein- und Knieübungen machst, bis man dich ruft.«
»Die habe ich gestern schon gemacht!«
»Ich übermittle lediglich den Befehl des Bashars.«
Patrin nahm das leere Glas und ließ Duncan allein.
Duncan zog sich schnell an. Man würde ihn zum Frühstück im Kommissariat erwarten. Verdammt sollen sie sein! Er brauchte ihr Frühstück nicht. Was hatte der Bashar vor? Warum konnte er nicht pünktlich
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