Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Freizeitperiode. Schwangyus Arbeitszimmer war nicht gänzlich von Dingen dieser Art isoliert – ein bewußter Dreh der Erneuerer der Schwesternschaft. Die ausgebildeten Sinne einer Ehrwürdigen Mutter konnten in den sie umgebenden Geräuschen eine Menge entdecken.
Schwangyu fühlte sich während dieser ›Lagebesprechung‹ mehr und mehr im Nachteil. Es wurde zunehmend offensichtlicher, daß sie Lucilla nicht dazu bringen konnte, sich auf die Seite derer zu schlagen, die gegen Taraza opponierten. Lucilla war ebenso immun gegen die manipulativen Möglichkeiten, die einer Ehrwürdigen Mutter zur Verfügung standen. Und was das Schlimmste war: Lucilla und Teg verliehen dem Ghola höchst fragwürdige Fähigkeiten. Extrem gefährliche Fähigkeiten. Und was noch zu allen anderen Problemen hinzukam: Schwangyu hegte zunehmenden Respekt Lucilla gegenüber.
»Er glaubt, daß wir okkulte Kräfte einsetzen, um unsere Künste zu praktizieren«, sagte Lucilla. »Wie ist er bloß auf eine solch eigenartige Idee gekommen?«
Schwangyu spürte, daß diese Frage sie ins Hintertreffen brachte. Lucilla wußte also schon, daß man etwas getan hatte, um den Ghola zu schwächen. Und dann sagte sie auch noch: »Ungehorsam ist ein Verbrechen gegen die Schwesternschaft!«
»Wenn er unser Wissen haben will, wirst du es ihm gewiß vermitteln«, sagte Schwangyu. Egal wie gefährlich es auch war, aus Schwangyus Blickwinkel war dies gewiß eine Wahrheit.
»Sein Verlangen nach Wissen ist mein bester Hebel«, sagte Lucilla, »aber wir wissen beide, daß das nicht genügt.« In Lucillas Stimme klang zwar kein Tadel mit, aber Schwangyu spürte ihn dennoch.
Verflucht soll sie sein! Sie versucht mich für sich zu gewinnen! dachte Schwangyu.
Mehrere Antworten zugleich fielen ihr ein: »Ich habe den Befehlen keinen Ungehorsam entgegengebracht.« Pah! Eine abscheuliche Ausrede! »Der Ghola ist in Übereinstimmung mit den Standardbestimmungen der Bene Gesserit-Ausbildung behandelt worden.« Unzutreffend und unwahr! Davon abgesehen war der Ghola nicht einmal ein Standardobjekt, was Erziehungsmethoden anging. In ihm waren Tiefen, mit denen nur eine potentielle Ehrwürdige Mutter fertigwerden konnte. Und das war das Problem!
»Ich habe Fehler gemacht«, sagte Schwangyu.
Da! Das war eine doppelzüngige Antwort, die eine Ehrwürdige Mutter schätzen würde.
»Du hast keinen Fehler gemacht, als du ihn beeinträchtigtest«, sagte Lucilla.
»Aber ich habe nicht vorausgesehen, daß eine andere Ehrwürdige Mutter seine Schwächen herausstellen würde«, erwiderte Schwangyu.
»Er will unsere Kräfte nur, um uns zu entwischen«, sagte Lucilla. »Er denkt: Irgendwann weiß ich genausoviel wie sie, und dann laufe ich weg .«
Als Schwangyu keine Antwort gab, sagte Lucilla: »Wie gerissen. Wenn er wegläuft, werden wir hinter ihm herjagen und ihn selber umbringen müssen.«
Schwangyu lächelte.
»Ich werde deinen Fehler nicht begehen«, sagte Lucilla. »Ich will es dir ganz offen sagen, und ich bin überzeugt, daß du es auch so sehen wirst. Ich verstehe jetzt, warum Taraza mich trotz der Tatsache, daß er noch so jung ist, geschickt hat.«
Schwangyus Lächeln löste sich auf. »Was hast du vor?«
»Ich binde ihn auf die gleiche Weise an mich, wie wir auch alle anderen Neulinge an ihre Lehrer binden. Ich werde ihm mit der Aufrichtigkeit und Loyalität begegnen, die wir den Unsrigen entgegenbringen.«
»Aber er ist ein Mann!«
»Deswegen wird man ihm die Gewürz-Agonie verweigern, aber sonst nichts. Er ist, glaube ich, willig.«
»Und wenn es an der Zeit ist, das letzte Stadium der Programmierung in Angriff zu nehmen?« fragte Schwangyu.
»Ja, das wird etwas heikel werden. Du glaubst, es wird ihn vernichten. Und das war natürlich auch dein Plan.«
»Lucilla, du weißt sicherlich, daß die Schwesternschaft, was Tarazas Plan angeht, nicht hundertprozentig einer Meinung ist.«
Es war Schwangyus stärkstes Argument, und die Tatsache, daß sie es in diesem Augenblick vorbrachte, war äußerst vielsagend. Die Ängste, daß sie einen neuen Kwisatz Haderach hervorbrachten, saßen tief, und die Uneinigkeit in den Reihen der Bene Gesserit war durchaus kein Geheimnis.
»Er entstammt einer primitiven genetischen Linie und wurde nicht gezüchtet, um ein Kwisatz Haderach zu sein«, sagte Lucilla.
»Aber die Tleilaxu haben in sein genetisches Erbe eingegriffen!«
»Ja, auf deine Anweisungen hin. Sie haben seine Nerven- und Muskelreflexe auf den neuesten Stand
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