Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Blick.
»Ich meine damit«, stotterte Stiros, »Gott ... könnte damit beabsichtigt haben, daß wir von ihr lernen sollen.«
Tuek hatte dies selbst sehr oft gesagt, ohne daß ihm aufgefallen war, wie sehr seine Worte doch ein Echo Drominds abgaben.
»Sie darf nicht aufgestachelt und geprüft werden«, gebot ihm Tuek.
»Da sei der Himmel vor!« sagte Stiros. »Ich werde die Seele der Heiligen Vorsicht sein. Und alles, was ich von dem Heiligen Kind lerne, werde ich dir auf der Stelle mitteilen.«
Tuek nickte nur. Er hatte seine eigene Methode, um zu gewährleisten, daß Stiros auch wirklich die Wahrheit sagte.
Die darauf erfolgenden Aufstachelungs- und Prüfungsversuche wurden von Tamalane und ihren Untergebenen sofort dem Domstift weitergeleitet.
»Sheeana macht einen nachdenklichen Eindruck«, berichtete Tamalane.
Unter den Ehrwürdigen Müttern auf Rakis und denjenigen, denen sie berichtete, fand dieser nachdenkliche Ausdruck eine klare Interpretation. Von Sheeanas Vergangenheit hatte man schon vor langer Zeit erfahren. Stiros' Übergriffe machten das Kind einfach krank vor Heimweh. Sheeana. Klug, wie sie nun einmal war, plauderte Sheeana jedoch nichts aus, obwohl sie sehr oft über ihr Leben in dem kleinen Pionierdorf nachdachte. Trotz all ihrer Ängste und der vergangenen Gefahren waren diese Zeiten für sie offenbar die glücklichsten gewesen. Sie erinnerte sich an das Lachen, an die Befestigung der Dünen aufgrund der Wetterlage, und daran, daß sie in den Schuppen der Dorfhütten nach Skorpionen gesucht hatte. Und in den Dünen hatte es nach Gewürzrückständen gerochen. Aufgrund der wiederholten Reisen, die Sheeana in diese Gegend unternahm, verdichtete sich in der Schwesternschaft die wohlbegründete und zutreffende Vermutung, daß hier das verlorene Dorf gelegen hatte. Und was hier passiert war. Sheeana musterte des öfteren die alten Karten Tueks, die in ihrer Unterkunft an der Wand hingen.
Wie Tamalane erwartet hatte, deutete Sheeana eines Morgens mit dem Finger auf die Gegend, in der sie des öfteren gewesen war. »Bringt mich dorthin!« befahl sie ihren Helferinnen.
Man schickte nach einem Thopter.
Und während in einem anderen Thopter, der weit über ihr dahinschwebte, eine Gruppe von Priestern neugierig mithörte, stellte sich Sheeana erneut ihrer Sand-Nemesis. Tamalane und ihre Berater, die die priesterlichen Leitungen angezapft hatten, beobachteten sie ebenso begierig.
Nicht das geringste deutete darauf hin, daß sich dort, wo Sheeana sich absetzen ließ, einst ein Dorf befunden hatte. Diesmal jedoch setzte sie einen Klopfer ein. Auch dies war einer der wohlüberlegten Vorschläge Stiros' gewesen. Er hatte sie sorgfältig in der Handhabung des uralten Instruments, das dem Herbeirufen des Zerlegten Gottes diente, unterweisen lassen.
Ein Wurm kam.
Tamalane beobachtete ihn auf einem eigenen Relaisprojektor, und für sie war der Wurm nicht mehr als ein mittelgroßes Ungeheuer. Sie schätzte seine Länge auf etwa fünfzig Meter. Sheeana stand nur drei Meter von dem klaffenden Maul entfernt. Die furchteinflößenden Innenfeuer des Wurms waren für jeden Beobachter deutlich sichtbar.
»Wirst du mir sagen, warum du es getan hast?« fragte Sheeana.
Sie wich nicht zurück vor dem heißen Atem des Wurms. Unter dem Ungeheuer knisterte der Sand, aber sie ließ nicht erkennen, daß sie dies hörte.
»Antworte!« befahl Sheeana.
Obwohl der Wurm keinen Laut von sich gab, schien Sheeana mit schiefgelegtem Kopf in sich hineinzuhorchen.
»Dann geh dorthin zurück, wo du hergekommen bist!« sagte sie. Und mit einem Wink bedeutete sie ihm, sich zu trollen.
Gehorsam wich der Wurm zurück und tauchte in den Sand.
Tagelang – während die Schwesternschaft sie freudig erregt ausspionierte – debattierten die Priester diese spärliche Begegnung. Sheeana zu verhören war unmöglich – sonst hätte man zugeben müssen, daß man sie belauscht hatte. Und wie zuvor lehnte sie es ab, über irgend etwas, das ihre Besuche in der Wüste anging, zu sprechen.
Dennoch verfolgte Stiros seine tückischen Aufstachelungspläne weiterhin. Das Resultat entsprach dem, was die Schwesternschaft erwartet hatte, hundertprozentig. Irgendeines Tages mußte Sheeana erwachen und spontan sagen: »Heute werde ich in die Wüste gehen.«
Manchmal setzte sie einen Klopfer ein, dann wieder tanzte sie ihren Ruf. Und irgendwo draußen im Sand, dort, wo man von der Stadt Keen aus nichts sehen konnte, oder in der Nähe einer
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