Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
anderen bewohnten Zone, kamen die Würmer zu ihr. Sheeana saß dann allein vor einem Wurm und sprach mit ihm. Und die anderen hörten zu. Tamalane fand die sich ansammelnden Aufzeichnungen immer faszinierender, wenn sie auf dem Weg zum Domstift durch ihre Hände gingen.
»Ich sollte dich hassen!«
Zu welchem Aufruhr hatte das unter den Priestern geführt! Tuek verlangte eine offene Debatte: »Sollten wir alle den Zerlegten Gott gleichzeitig lieben und hassen?«
Stiros brachte diesen Vorschlag mit dem Argument zu Fall, daß sie sich über die Wünsche Gottes keinesfalls im klaren seien.
Sheeana fragte einen ihrer gewaltigen Besucher: »Läßt du mich mal wieder auf dir reiten?«
Als sie näherkam, zog der Wurm sich zurück und wollte sich nicht besteigen lassen.
Bei einer anderen Gelegenheit fragte sie: »Muß ich bei den Priestern bleiben?«
Gerade dieser Wurm erwies sich als das Ziel mancherlei Fragen, unter anderem dieser:
»Was wird aus den Menschen, wenn du sie frißt?«
»Warum sind die Leute mir gegenüber so falsch?«
»Sollte ich die schlechten Priester bestrafen?«
Tamalane mußte über ihre letzte Frage lachen, denn sie dachte an das Durcheinander, zu dem es nun unter Tueks Leuten kommen mußte. Sie erfuhr täglich von ihren Spitzeln, wie bestürzt die Priester waren.
»Wie antwortet er ihr?« fragte Tuek. »Hat irgend jemand Gott je antworten hören?«
»Vielleicht spricht er direkt in ihre Seele hinein«, wagte ein Ratsmitglied anzudeuten.
»Das ist es!« Tuek sprang auf. »Wir müssen sie fragen, was Gott ihr aufträgt.«
Sheeana lehnte es ab, in solche Diskussionen hineingezogen zu werden.
»Sie kennt ihre Stärke und ihre Grenzen ziemlich genau«, berichtete Tamalane. »Obwohl Stiros sie auf äußerst subtile Weise drängt, geht sie nicht mehr oft in die Wüste. Wie zu erwarten war, hat der Reiz nachgelassen. Angst und Begeisterung werden sie gerade so weit leiten, bis er verblaßt. Sie hat jedoch einen wirkungsvollen Befehl gelernt: ›Geh weg!‹«
Die Schwesternschaft sah dies als wichtige Weiterentwicklung an. Wenn ihr sogar der Zerlegte Gott gehorchte, würde kein Priester und keine Priesterin ihre Autorität, einen solchen Befehl zu geben, in Frage stellen.
»Die Priester bauen Türme in der Wüste«, berichtete Tamalane. »Es verlangt sie nach mehr sicheren Plätzen, von denen aus sie Sheeana und das, was sie dort tut, beobachten können.«
Die Schwesternschaft hatte diese Entwicklung nicht nur erwartet, sondern sogar etwas dafür getan, daß diese Projekte schneller abliefen. Jeder Turm hatte seine eigene Windfalle, seine eigene Instandhaltungsmannschaft, seine eigene Wasserbarriere, Gärten und andere Zivilisationsbestandteile. Jeder Turm war eine kleine Lebensgemeinschaft, und sie schoben sich von den befestigten Zonen des Planeten Rakis aus immer weiter in das Reich der Würmer hinaus.
Nun brauchte man keine Pionierdörfer mehr, und diese Entwicklung verdankte man Sheeana.
»Sie ist unsere Priesterin«, sagte die Bevölkerung.
Tuek und die Mitglieder seines Rates saßen im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Stecknadelkopf und rotierten: Shaitan und Shai-Hulud in einem Körper? Stiros lebte täglich in der Angst, Tuek würde dies der Öffentlichkeit als Tatsache verkünden. Stiros' Ratgeber wiesen schließlich den Vorschlag zurück, sich Tueks zu entledigen. Ein dahingehender Vorschlag, die Priesterin Sheeana möge bei einem fatalen Unfall das Leben verlieren, wurde mit Entsetzen von allen abgelehnt, und sogar Stiros fand einen Vorstoß wie diesen eine Nummer zu groß für sie.
»Selbst wenn wir diesen Dorn herausreißen«, sagte er, »Gott kann uns immer noch mit einer viel schrecklicheren Bürde heimsuchen.« Und er warnte: »Die ältesten Bücher sagen, daß ein kleines Kind uns leiten wird.«
Stiros gehörte zu jenen, die als letzte zu dem Glauben stießen, Sheeana sei in gewissem Sinne keine Sterbliche. Es war offensichtlich, daß alle, die sich in ihrer Nähe aufhielten – einschließlich Cania –, das Mädchen liebten. Sie war so aufrichtig, intelligent und verständnisvoll.
Vielen fiel auf, daß diese wachsende Zuneigung Sheeana gegenüber nicht einmal vor Tuek haltmachte.
Für die Leute, die von dieser Macht berührt wurden, hatte die Schwesternschaft sofort Anerkennung parat. Die Bene Gesserit hatten eine Bezeichnung für diesen uralten Effekt: expandierende Verehrung. Tamalane berichtete von grundlegenden Veränderungen, die sich auf Rakis taten: Die
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