Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
unter den Fremen.«
Uliet verbeugte sich. Er war ein Mann mittleren Alters mit kantigen Zügen. Er ließ die Hände ausgestreckt. Er wartete ohne jedes Anzeichen von Unsicherheit. Obwohl er ein tief religiöser Mann war, zeigte er keine übertriebene Ehrfurcht.
»Nimm dieses geweihte Crysmesser, Uliet.« Nun fasste Heinar das Messer am geschnitzten Griff und zog die lange, milchig-weiße Klinge aus der Scheide. Das Crysmesser bestand aus dem Zahn eines Sandwurms und war ein heiliges Relikt unter den Fremen. Diese spezielle Klinge war fixiert, eins mit dem Körper des Besitzers, so dass sich die Waffe nach seinem Tod auflösen würde.
»Dein Messer wurde in das giftige Wasser des Lebens getaucht und vom Shai-Hulud gesegnet«, sprach Heinar weiter. »Wie es unsere Tradition vorschreibt, darf die heilige Klinge nicht eher in die Scheide zurückgesteckt werden, bis sie Blut geschmeckt hat.«
Uliet nahm die Waffe an und war plötzlich überwältigt von der Bedeutung der Aufgabe, für die er auserwählt worden war. Er hatte die großen Würmer der Wüste voller Ehrfurcht beobachtet und sie viele Male geritten. Aber er hatte niemals eine vertrauliche Beziehung zu den großartigen Geschöpfen entwickelt. Er konnte einfach nicht vergessen, dass sie die Verkörperungen des Schöpfers des Universums waren.
»Ich werde dem Willen Shai-Huluds gehorchen.« Uliet hielt das Messer hoch, so dass die vergiftete Spitze nicht auf ihn zeigte.
Die anderen Ältesten standen unerschütterlich hinter dem einäugigen Naib. »Nimm zwei Wassermänner mit«, sagte Heinar. »Sie sollen das Wasser des Fremden sammeln, damit es dem Wohl des ganzen Sietch dienen kann.«
»Vielleicht sollten wir einen kleinen Teil dafür verwenden, ihm zu Ehren einen Strauch zu pflanzen«, sagte Aliid, doch niemand unterstützte seinen Vorschlag.
Uliet verließ in stolzem, aufrechtem Gang die Felskammer, ein wahrer Fremen-Krieger. Er fürchtete sich nicht vor diesem Planetologen, obwohl der Außenweltler leidenschaftlich von seinen verwegenen und absurden Plänen sprach, als würde er von einer heiligen Vision getrieben. Ein Schauder lief dem Assassinen über den Rücken.
Uliet verengte die tiefblauen Augen und verdrängte derartige Gedanken aus seinem Geist, während er durch die düsteren Gänge schritt. Zwei Wassermänner folgten ihm mit leeren Literjons in den Händen, um darin Kynes' Blut aufzufangen, und saugfähigen Tüchern, damit kein Tropfen verloren ging, der vielleicht auf den Steinboden fiel.
Es war nicht schwierig, den Planetologen zu finden. Ein großes Publikum folgte ihm; die Gesichter waren entweder voller Ehrfurcht oder Skepsis, die dennoch nicht ohne Bewunderung war. Kynes, der die anderen überragte, bewegte sich auf einem ziellosen Weg, während er dozierte und gestikulierte. Seine Herde blieb ihm auf den Fersen, wenn auch in vorsichtigem Abstand. Manche Zuhörer stellten Fragen, doch die meisten hörten ihm lediglich zu.
»Die menschliche Frage lautet nicht, wie viele innerhalb des Systems überleben können«, sagte Kynes gerade, als sich Uliet näherte, das Crysmesser offen in der Hand, seine Absicht offen im Gesicht, »sondern welche Art von Existenz für jene möglich ist, die überleben.«
Uliet setzte seinen Weg unbeirrt fort und schritt durch die Menge. Das Publikum des Planetologen bemerkte den Assassinen und sein Messer. Die Leute traten zurück und warfen sich wissende Blicke zu, manche voller Enttäuschung, andere voller Furcht. Sie verstummten. Die Fremen kannten ihre Traditionen.
Kynes bemerkte nichts von alledem. Mit einem Finger zeichnete er einen Kreis in die Luft. »Auf dieser Welt ist offenes Wasser möglich, wenn winzige, aber entscheidende Veränderungen angestoßen werden. Wir können es schaffen, wenn ihr mir helft. Denkt darüber nach – eines Tages könnt ihr euch ohne Destillanzug im Freien aufhalten.« Er zeigte auf zwei Kinder, die in seiner Nähe standen und scheu vor ihm zurückwichen. »Versucht es euch vorzustellen: so viel Feuchtigkeit in der Luft, dass ihr keinen Destillanzug mehr tragen müsst.«
»Du meinst, wir könnten sogar Wasser in Teichen aufbewahren, um jederzeit daraus zu trinken?«, sagte einer der Skeptiker in sarkastischem Tonfall.
»Sicher. Ich habe es auf vielen anderen Welten gesehen, und es gibt keinen Grund, warum es auf Dune nicht genauso sein kann. Mit Windfallen können wir das Wasser aus der Luft ziehen und es benutzen, um Gras, Sträucher und andere Pflanzen zu bewässern,
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