Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
aufgenommen worden war, verstand er allmählich, wie schnell die Fremen beleidigt reagieren konnten. Kynes wusste, dass er sich eine Weigerung nicht erlauben konnte. Außerdem erkannte er, dass diese Heirat vor dem Hintergrund der politischen Unterdrückung der Fremen durch die Harkonnens künftigen Forschern möglicherweise die Arbeit erleichtern würde.
So kam es, dass mit dem Aufgang beider Vollmonde Pardot Kynes gemeinsam mit den übrigen Fremen das Hochzeitsritual beging. Bevor diese Nacht vorbei war, würde er ein verheirateter Mann sein. Er trug jetzt einen schütteren Bart, zum ersten Mal in seinem Leben. Frieth, die nur selten ihre Meinung äußerte, schien ihn zu mögen.
Geleitet vom einäugigen Heinar und der Sayyadina des Sietch – eine religiöse Führerin von ähnlicher Stellung wie eine Ehrwürdige Mutter – stieg die Hochzeitsgesellschaft von den Bergen herab, um nach einer langen Wanderung auf den freien, von Dünenkämmen gewellten Sand hinauszutreten. Die Monde schienen und tauchten die Wüstenlandschaft in einen perlmuttfarbenen Schimmer.
Als er auf die gewölbten Dünen starrte, dachte Kynes zum ersten Mal, dass sie ihn an die sanften, sinnlichen Formen eines weiblichen Körpers erinnerten. Vielleicht denke ich unbewusst mehr an die Hochzeit, als ich angenommen hatte.
Sie wanderten in einer Reihe auf die Dünen, bestiegen die festgebackene Windseite und liefen dann auf dem weichen Grat weiter. Späher hatten verschiedene Aussichtspunkte erklommen und achteten auf Wurmzeichen oder Harkonnen-Fluggefährte. Da seine Sietch-Genossen Wache hielten, fühlte sich Kynes völlig sicher. Er war jetzt einer von ihnen, und er wusste, dass die Fremen ihr Leben für ihn opfern würden.
Er betrachtete die reizende junge Frieth mit dem langen Haar, das im Mondlicht glänzte, und den tiefblauen Augen, die ihn abschätzend, vielleicht sogar liebevoll ansahen. Sie trug das schwarze Gewand, das sie als verlobte Frau auszeichnete.
In den Höhlen hatten die anderen Frauen Stunden damit verbracht, Frieth metallene Wasserringe ins Haar zu flechten, zusammen mit denen, die ihrem künftigen Ehemann gehörten, als Symbol der Fusion ihrer Existenzen. Vor vielen Monaten hatte der Sietch sämtlichen Proviant und den Inhalt der Wassercontainer aus Kynes' Fahrzeug in ihre gemeinschaftlichen Vorräte überführt. Nachdem er in den Sietch integriert worden war, hatte man ihn für seinen Beitrag in Form von Wasserringen bezahlt, so dass Kynes nun als recht wohlhabendes Stammesmitglied galt.
Als Frieth ihren Verlobten ansah, erkannte Kynes zum ersten Mal, wie schön und begehrenswert sie war – dann tadelte er sich, weil es ihm nicht vorher aufgefallen war. Jetzt liefen die unverheirateten Fremen-Frauen auf das Dünenfeld hinaus und ließen ihr langes, ungebändigtes Haar in der nächtlichen Brise wehen. Kynes beobachtete, wie sie mit den traditionellen Hochzeitstänzen und -gesängen begannen.
Die Mitglieder des Sietch erklärten ihm nur selten ihre Sitten, woher die Rituale stammten oder was sie bedeuteten. Für die Fremen waren all diese Dinge einfach so, wie sie waren. In ferner Vergangenheit war ihre Lebensweise während der Zensunni-Wanderungen von Planet zu Planet aus der Notwendigkeit entstanden, und seitdem hatte sich nichts mehr daran geändert. Hier kam niemand auf die Idee, sie infrage zu stellen – warum sollte es ausgerechnet Kynes tun? Und wenn er wirklich der Prophet war, für den sie ihn hielten, sollte er solche Angelegenheiten intuitiv verstehen.
Er konnte ohne große Probleme die Sitte entschlüsseln, Wasserringe in die Zöpfe einer Braut zu flechten, während die unverlobten Töchter des Stammes ihr Haar offen trugen. Die unverheirateten Frauen tanzten mit bloßen Füßen in scheinbarer Schwerelosigkeit über den Sand. Manche waren noch Mädchen, während andere längst das heiratsfähige Alter erreicht hatten. Die Tänzerinnen wirbelten durcheinander, so dass ihre Köpfe vom fliegenden Haar umhüllt wurden wie Heiligenscheine.
Die Symbolik eines Wüstensandsturms, dachte er. Coriolis-Wirbelwinde. Durch seine Studien wusste er, dass solche Stürme eine Geschwindigkeit von über achthundert Stundenkilometern erreichen konnten. Die Staub- und Sandpartikel hatten genügend Energie, um einem Menschen das Fleisch von den Knochen zu reißen.
Mit plötzlicher Besorgnis blickte Kynes auf. Zu seiner Erleichterung war der nächtliche Wüstenhimmel klar und mit Sternen übersät; jeder Sturm kündigte sich
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