Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
und seine Philosophen der »Elfenbeintürme« hatten sich schon immer isoliert und waren jeder Einmischung in menschliche Angelegenheiten aus dem Weg gegangen, auch wenn sie über eine Quelle verfügen mussten, die ihnen Einkünfte und Versorgungsgüter einbrachte. Nun wollte Serena sich direkt an sie wenden und sie bitten – nein, von ihnen fordern –, dass sie der Menschheit halfen. Sie konnten es ihr nicht verweigern.
Selbst die Kogitoren mussten einsehen, dass eine neutrale Haltung nicht mehr möglich war. Sie waren einst Menschen gewesen, doch anders als die Titanen und Neo-Cymeks hatten sie sich nie mit Omnius verbündet. Mit ihrer jahrtausendelangen Erfahrung mussten sie in der Lage sein, Möglichkeiten vorzuschlagen, die den Menschen nie in den Sinn gekommen waren. Serena glaubte, dass ihr begehrtes Wissen zum Dreh- und Angelpunkt werden konnte, an dem der Sieg über die Synchronisierten Welten hing.
Iblis sorgfältig ausgesuchte Assistenten hatten den Kogitoren nun seit acht Jahren auf Hessra gedient. Serena wusste sehr wenig über diese Leute, abgesehen von der Tatsache, dass sie sie kurz vor ihrer Abreise gesegnet hatte. Sie erinnerte sich, dass sie damals gedacht hatte, sie alle seien ausgesprochen fromme Menschen mit guten Manieren.
Anschließend hatte Iblis ihr anvertraut, dass diese Sekundanten den Auftrag hatten, die Kogitoren immer wieder behutsam auf die Verwüstungen anzusprechen, die von den Denkmaschinen auf den Welten der Menschheit angerichtet worden waren. Sie sollten an die Moral der Kogitoren appellieren und sich bemühen, Vidad und seine kontemplativen Gefährten zu der Einsicht zu bewegen, dass ihre Neutralität nicht zwangsläufig ein tugendhafter Standpunkt war.
Mit ihrem Schiff steuerte sie Hessra direkt an, nur begleitet von Niriem und vier weiteren Seraphim. Serena landete auf einer Fläche aus Schnee und Eis, die die Sekundanten zur Vorbereitung auf ihre Ankunft freigeräumt hatten. Die Festung der Kogitoren erhob sich aus dem grauen Fels und bestand aus schwarzen Metalltürmen und zylindrischen Vorsprüngen, die von Spitzkuppeln gekrönt wurden. Im Schneetreiben war sie kaum zu erkennen.
Die Kogitoren hatten ihre Zuflucht ursprünglich auf einer freien Bergzunge hoch über einer tiefen Schlucht errichtet, doch nach zwanzig Jahrhunderten war ein schwerfälliger Gletscher von den hohen Felsen heruntergekrochen und drohte die Türme zu verschlingen. Das dicke Eis hatte einen grün-blauen Farbton, der von chemischen Verbindungen in der sauren Atmosphäre von Hessra stammte.
Bislang hatte der Eisstrom die Hälfte der Fundamente und das Erdgeschoss der Gebäude bedeckt, und Serena fragte sich, ob die Kogitoren diese Festung jemals aufgeben wollten. Dieser Ort veranschaulichte das unerbittliche Vergehen der Zeit. Wenn die Türme eines Tages unter den Gletschern verschwunden waren, würden Vidad und seine Kollegen vielleicht in ihrer Eisgruft bleiben, um weiter ihre Gedanken zu verfolgen, jedoch ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt.
Es sei denn, Serena konnte sie bewegen, wieder am Geschehen teilzunehmen.
In gefütterte Mäntel gehüllt trat eine Gruppe von Sekundanten durch die vereisten Türen des Hauptturms, angeführt von einem Mann, den sie als Keats wiedererkannte. Serena wankte ihnen im beißend kalten Wind entgegen und hustete in der dünnen, unangenehmen Luft. Niriem trat vor, um sie zu begleiten, doch Serena bedeutete ihr, dass sie allein gehen wollte. Die Seraphim sollten an Bord des Schiffes bleiben, weil sich die Priesterin selbst um diese Angelegenheit kümmern wollte.
Die Sekundanten führten Serena in den Tunnel. Sie rochen nach Chemikalien, als hätten sie in einem Labor gearbeitet. Einer der Männer in den gelben Gewändern betätigte einen Hebel, worauf sich die schwere Tür mit einem dumpfen Knall hinter ihnen schloss. Als Serena mit ihrer stummen Eskorte weiterschritt, bildete ihr Atem Dampfschlieren in der Luft.
Die Korridore verliefen in einer enger werdenden Spirale, bis sie sich in einem großen Saal mit hohen Wänden und Fenstern trafen, die mit einem festen Vorhang aus Gletschereis verschlossen waren. Seltsame Muster, die an Muadru-Runen erinnerten, waren in die Eisblöcke graviert. Die sechs Elfenbeinturm-Kogitoren ruhten auf polierten Sockeln; die Gehirnbehälter schimmerten im matten Blau des lebenserhaltenden Elektrafluids. Tanks mit frischer Flüssigkeit – weitaus mehr, als die Kogitoren jemals brauchen würden – stapelten sich in Nischen.
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