Dune Legenden 03 - Die Schlacht von Corrin
Emporgewehter Sand verschleierte den Horizont und trübte den Sonnenaufgang.
Weil er kein bestimmtes Ziel anstrebte, sondern einfach nur allein sein wollte, ließ er das Tier sich wenden, wohin es wollte. Erinnerungen begleiteten Ishmael, er dachte an die vielen Jahrzehnte der Härten und Umwälzungen, die hinter ihm lagen ... und an das letztendliche Glück. Zahllose Geister folgten Ishmael durch die kahle Landschaft, doch das, woran sie gemahnten, schreckte ihn nicht mehr. Er hatte sich mit dem Verlust von Freunden und Familie abgefunden und hielt die Frist, die er mit seinen Lieben verlebt hatte, in ehrenvollem Andenken.
Er erinnerte sich an das Sumpfdorf auf Harmonthep, in dem er aufgewachsen war, und an die Sklaverei auf Poritrin, wo er zwangsweise in der Landwirtschaft, im Haushalt des Weisen Holtzman und in Raumschiffswerften hatte arbeiten müssen, ehe er nach Arrakis geflohen war. Zwei der geisterhaften Gestalten, die in seinem Gedächtnis spukten, waren durch das Verstreichen so langer Zeit undeutlich geworden: seine erste Frau und die jüngere Tochter. Es dauerte einen Moment, bis er sich an ihre Namen erinnerte, so lange war es schon her: Ozza und Falina. Beim Sklavenaufstand hatte er sie zurücklassen müssen. Nachdem er auf Arrakis gestrandet war, hatte er sich eine neue Frau gesucht ... doch inzwischen war auch Marha tot. Ihm brannten die Augen – entweder von Sandkörnern oder Tränen. Durch Tränen Körperflüssigkeit zu verschwenden war ihm zuwider.
Ishmael zog eine Kapuze über Kopf und Gesicht, um sich gegen die Tageshitze zu schützen. Er benötigte keine Landkarten, er konnte eine Runde durch die Wüste drehen und jederzeit nach Hause finden. Selbst nach so langer Zeit hatte Ishmael nicht den geringsten Zweifel an seinen Fähigkeiten.
Kräftiger, schwerer Gewürzgeruch hing in der Luft, der starke Zimtduft drang selbst durch die Stopfen, die Ishmael sich in die Nasenlöcher gesteckt hatte. Unermüdlich pflügte sich der Wurm durch den rostroten Sand, wo eine Gewürzeruption stattgefunden hatte. Obwohl er während eines Großteils seines Lebens Sandwürmer geritten hatte, konnte Ishmael ihr Verhalten nicht begreifen. Niemand verstand die Sandwürmer. Shai-Hulud richtete sich nach seinen eigenen Gedanken und Wegen, und kein gewöhnlicher Mensch konnte sie nachzuvollziehen.
Gegen Sonnenuntergang hielt er auf eine lange, felsige Erhebung zu, wo er zu lagern beabsichtigte. Während er sich dem einzelnen Höhenzug näherte, kniff er plötzlich die Augen zusammen, und beim Anblick glänzenden Metalls und runder Bauwerke entfuhr ihm ein verärgertes Knurren. Im Schatten der Felseninsel war eine kleine Ansiedlung entstanden. Ishmael konnte sich nicht erinnern, dass er bei vorherigen Aufenthalten in dieser Gegend jemals eine Niederlassung gesehen hätte.
Mit einem Ruck zog er an den Haken und benutzte Klammern, um den Wurm fort vom Zivilisationsgeschwür und stattdessen zum mehrere Dutzende Kilometer entfernten anderen Ende der Felsformation zu lenken. Möglicherweise würde man ihn trotzdem von der Siedlung aus im farbenprächtigen Zwielicht des Abends auf dem geschmeidigen Wurm reiten sehen. Aber das spielte keine Rolle. Die Geschichten um Selim Wurmreiter und seine Banditen waren unter den überall herumwimmelnden fremden Gewürzsuchern fast bis hin zum Aberglauben verbreitet.
Vor den Ausläufern der lang gestreckten Erhebung ließ er den inzwischen ermatteten Wurm in den flachen Dünen niedersinken. Von der groben Haut des Geschöpfs sprang Ishmael in den Sand und rannte davon, während der Wurm sich unter die Dünen wühlte. Ungeachtet seines Alters fühlte Ishmael sich durch den Ausritt wie verjüngt. Mit geübten unregelmäßigen Schritten gelangte er zu den Felsen, wo er Sicherheit fand, und kletterte nach oben.
Dort entdeckte Ishmael in Felsritzen fleckige Flechten und dorniges Kraut, deren Vorhandensein die Abhärtung und Widerstandskraft des arrakisischen Lebens bewies. Er hoffte, dass sein Volk trotz der Bestrebungen El'hiims, es von der traditionellen Lebensweise abzubringen, die gleiche Zähigkeit beibehielt, statt schlaff und verwöhnt zu werden.
Als Ishmael einen geeigneten Platz für seine Schlafmatte und einen flachen Felsen, auf dem er seine Mahlzeit kochen konnte, ausfindig gemacht hatte, stellte er zu seiner Bestürzung fest, dass sogar hier Spuren menschlicher Anwesenheit zurückgeblieben waren. Kein Wüstenbewohner hätte diese Spuren hinterlassen, kein Kenner der
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