Dune-Stories: Träume vom Wüstenplaneten
ihm einen einzigen, würgenden, schwefelgasgeschwängerten Atemzug, der gerade genug Sauerstoff enthielt, um ein paar Sekunden länger am Leben zu bleiben.
Mit schwindendem Bewusstsein dachte Jesse an Barris entschlossenes, optimistisches Gesicht. Der Junge konzentrierte sich immer darauf, Probleme zu lösen, damit sein Vater stolz auf ihn war. Jesse überschlug sich und dachte an Dorothy, seine geliebte Konkubine. Was für eine willensstarke Frau! Sein Herz sehnte sich nach ihr, und er wusste, dass sie das Haus Linkam unmöglich betrogen haben konnte. Trotz seiner unbestreitbaren Fähigkeiten musste Esmar Tuek sich in ihr täuschen.
Zu oft hatte er seine eigenen Gefühle hinter Schloss und Riegel gehalten, statt ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte. Als Oberhaupt des Hauses Linkam hatte er versucht, unabhängig und streng zu sein und Dummheiten wie jene, die sein Vater und Bruder immer wieder begangen hatten, zu vermeiden. Jetzt umströmte ihn das Bedauern wie der Sand, während er tiefer in die Dünenwelt hinabstürzte. Er wünschte, er könnte einen letzten Augenblick mit Dorothy und Barri verbringen.
Niemand würde nach ihm graben. Wie so viele andere würde er einfach verschwinden. Man würde davon ausgehen, dass der Sandwurm ihn verschlungen hatte. Auf dem Höhepunkt des Gewürzwettstreits, als er kurz vor dem Sieg stand, hatte der launische Planet ihm alles entrissen.
Trotzig entließ Jesse in einem wütenden, erschöpften Schrei die letzte Luft aus seinen Lungen. Sand und Staub kamen aus seinem Mund ...
Völlig unerwartet stürzte er durch freien Raum und landete auf einem weichen Sandhügel, der von oben heruntergerieselt war. Der Aufprall raubte ihm das letzte bisschen Luft. Halb betäubt und desorientiert sog er mit gierigen Atemzügen die feuchte Luft ein. Sie roch nach bitterem Zimt, wie die Abgase einer Erntemaschine. Doch in seinen Lungen schmeckte sie unglaublich süß. Atembare Luft! Bei jedem keuchenden Atemzug schien die Melange-Essenz seine Nerven und Muskeln mit neuem Leben zu erfüllen.
Jesse rollte sich auf den Bauch, erhob sich auf Händen und Knien, hustete Staub aus und schüttelte den sandverkrusteten Kopf. Eine ganze Weile zitterte er nur und schnappte nach Luft, um sein Blut wieder mit Sauerstoff zu sättigen. Sandkörner fielen wie ein leichter Regen auf ihn herab, der schließlich versiegte.
In seinem Kopf verlangten zahlreiche Fragen lautstark nach Aufmerksamkeit. Wo war er? Wie weit war er gefallen?
So tief unter der Erde hätte er nicht damit gerechnet, etwas anderes als tintenschwarze Finsternis zu sehen, doch von den Wänden um ihn herum ging ein schwaches blaues Phosphoreszieren aus, in dem er mehrere Tunnel ausmachen konnte, die in verschiedene Richtungen führten. Ein Honigwabenlabyrinth unter den Dünen. Seine Augen passten sich überraschend gut an.
Es gelang Jesse aufzustehen, obwohl sein ganzer Körper schmerzte und seine Arme und Beine teilweise wundgescheuert waren. Die Gewürzdämpfe schienen seine Sinneswahrnehmung zu verstärken und seine Sicht zu schärfen. Hektisch und mit mehr Energie, als er meinte, zur Verfügung haben zu dürfen, suchte er einen Durchgang nach dem anderen ab, bis er schließlich außer Atem war. Als ihm klar wurde, dass er aus den Augen verlieren könnte, wo er ursprünglich hinabgestürzt war, versuchte Jesse seine Schritte zurückzuverfolgen und benutzte einen scharfen Stein, um an jeder Kreuzung eine Markierung in die Wand zu kratzen. Er schien sich in einem verzweigten Netzwerk zu befinden, einer Art blauem Adergeflecht unter dem Sand.
Dr. Haynes hatte die Hypothese aufgestellt, dass Sandgezeiten und -Verschiebungen, Dämpfe und Ausgasungen auf Geheimnisse weit unter der Oberfläche der Dünenmeere dieser Welt hinwiesen. Jesse fragte sich, ob er je die Gelegenheit erhalten würde, dem Planetenökologen oder irgendeinem anderen Menschen von dem zu berichten, was er hier sah ...
Mit vorsichtig tastenden Schritten erforschte er die unterirdischen Wege weiter. Er musste einen Weg nach draußen finden, wurde ihm klar, und nicht zurück zum Sandhügel. Er hatte nicht die geringste Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte oder ob er jemals wieder an die Oberfläche gelangen würde. Jesse war so tief gefallen, dass er bezweifelte, den steinernen Hals wieder hinaufklettern zu können. Er musste einen anderen Weg finden – oder für immer hier unten bleiben.
Ein Gang öffnete sich zu einer großen Höhle, in der das bläuliche Licht
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