Dungirri 01 - Schwarze Dornen
den ganzen Nachmittag hinter dem Laden Futter gestapelt. Seine Tochter, die ebenfalls im Laden arbeitete, konnte auch nicht weiterhelfen.
Alec dankte den beiden für ihre Aussagen, als die Türglocke erklang und Isabelle sich, kaum dass sie sich rechtzeitig umdrehen konnte, in einer festen Umarmung gefangen sah.
»Bella, Liebes!« Irgendwann gab Jeanie Menotti, die Inhaberin des Cafés auf der anderen Seite der Landstraße, Isabelle wieder frei, aber nur, um sie an den Schultern zu fassen und von oben bis unten zu betrachten. »Wie geht’s dir?«, fragte sie aufrichtig. »Hast du dich einigermaßen erholt?«
Isabelle schloss für einen Moment die Augen und kämpfte darum, nicht die Fassung zu verlieren. Das war wieder einmal typisch Jeanie, ausgerechnet das eine Thema anzusprechen, das jedermann sonst so geflissentlich umging. Aber schließlich war Jeanie, die bodenständige, vernünftige Jeanie, nie eine gewesen, die einem heiklen Thema auswich, wenn ihr etwas an jemandem lag.
»Mir geht es gut.« Sie versuchte, die Besorgnis der älteren Frau einfach abzutun, musste sich aber fürchterlich zusammenreißen, um sich nicht in Jeanies Arme zu werfen und ungehemmt loszuschluchzen, wie sie es als mutterloser Teenager hin und wieder getan hatte. Aber sie war kein naives, gutgläubiges Kind mehr und würde es auch nie wieder sein.
Als sie nach einer Stunde in den Gemeindesaal zurückkehrten, war Alecs Achtung für Isabelle noch gewachsen.
Sie hatte sich tapfer geschlagen, war angesichts der unverkennbaren Überraschung der Leute über ihr Auftauchen völlig ruhig geblieben. Sie hatte jeden höflich aber distanziert behandelt, sich von niemandes Reaktionen beeinflussen lassen und sich nur darauf konzentriert, Informationen zu gewinnen.
Aber welchen Preis hatte ihr das abverlangt? Er hatte Jeanie Menottis verletzten Blick gesehen, als Isabelle von ihr abgerückt war. Es schien fast so, als verleugne sie, auch vor sich selbst, jede Spur der Frau hinter Detective O’Connell - der Frau, die an diesem Ort ihre Kindheit verbracht hatte.
Als sie mit Fraser und Matthews die Aufzeichnungen abglichen, lehnte sie an der Tischkante, Finn zu ihren Füßen, und konzentrierte sich nur auf die weiße Tafel, auf der Fraser alles festhielt, was sich als relevant erweisen könnte. Ihre Maske saß unverrückbar, doch die Anspannung zeigte sich in den feinen Fältchen um die Augen. Dann knallte ein Schuss, zugleich zerbarst das Fenster hinter Isabelle. Schlagartig wurde Alec aus seinen Gedanken gerissen und handelte instinktiv. Er warf sich auf sie und stieß sie zu Boden, während alle anderen im Raum ebenfalls in Deckung gingen.
In den nächsten paar Sekunden, während sie warteten, ob noch weitere Schüsse fallen würden, wurden ihm in schneller Folge drei Dinge bewusst: Ihm behagte die wohlige Wärme der Frau, die unter ihm lag; ihr Hund hatte sich in seinen Knöchel verbissen; und das weiße Hemd, das Isabelle trug, färbte sich blutrot.
2
D er Schreck beim Splittern der Scheibe wurde zu Panik, als Alec sie mit seinem ganzen Körper auf den Boden presste, er war ihr zu nah, und instinktiv stieß sie ihn fort. Finns gedämpftes Knurren und Alecs »Verdammt« machten ihr klar, was vor sich ging.
»Finn, aus!«, keuchte sie.
Augenblicklich wälzte Alec sich zur Seite und kniete neben ihr. Immer noch unter dem Schleier der Todesangst versuchte sie, von ihm abzurücken. Sie brauchte Platz, wollte nicht, dass jemand sie berührte.
»Stillhalten, Isabelle. Sie wurden angeschossen.«
Angeschossen? Der Schmerz in der Schulter verdrängte die Panik, sie drehte den Kopf und sah völlig verdutzt den blutigen Riss in der Bluse.
»Ich muss sehen, wie ernst es ist«, sagte Alec, und während der unvernünftige, verängstigte Teil in ihr schreien und sich verstecken wollte, zwang sie sich stillzuhalten, als er mit einer Hand den Kragen ihrer Bluse zurückschob und mit der anderen flink die Knöpfe öffnete.
»Ich brauche einen Verbandskasten, und jemand soll den Arzt rufen«, befahl er in kontrolliertem, unmissverständlichem Ton. »Fraser, finden Sie raus, woher der Schuss kam. Alle anderen bleiben in Deckung und dicht an der Wand.«
Ein Verbandskasten knallte auf den Boden, und gleich
darauf kniete Kris auf der anderen Seite neben Isabelle. »Die nächste Ärztin ist in Birraga, sechzig Kilometer von hier«, sagte sie leise. »Wir können nur hoffen, dass wir sie nicht brauchen.«
»Es ist nicht schlimm. Muss ein Streifschuss
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