Dungirri 01 - Schwarze Dornen
krampften.
»Also gut, Sie kennen das ja. Gibt es jemanden aus Ihrer Vergangenheit, der das getan haben könnte? Verbrecher, die Sie eingebuchtet haben? Expartner, die mit der Trennung nicht klargekommen sind?«
Sich mit Ersterem zu befassen war sicherer, viel sicherer als Punkt zwei.
»Ich bin Detective auf dem Land. Da hat man in der Hauptsache mit Einbruch, Viehdiebstahl, Straßenraub und häuslicher Gewalt zu tun. Mir fällt niemand ein, den ich vor Gericht gebracht habe und der einen Bezug zu Dungirri hat. Außerdem passen die meisten sowieso nicht in unser Täterprofil.«
»Die meisten?«, hakte er scharf nach. »Und wie steht’s mit dem Rest?«
»Einen gäbe es vielleicht …« Sie hielt inne, denn es widerstrebte ihr, an die damalige Geschichte auch nur zu denken. Sie stand auf, vergrub die Hände in den Hosentaschen und ging in dem kleinen Büro auf und ab. »Er hat Frau und Kinder geprügelt - eins hat er sogar umgebracht, es war noch ein Säugling …«
Sie spürte Tränen im Augenwinkel und wandte ihm abrupt den Rücken zu, um sie mit der Hand fortzuwischen. Wenn sie keine Albträume von Jess und Dan quälten, dann waren es solche von den beiden winzigen, zerschmetterten, blutenden Kindern, von denen sie eines nicht mehr hatte retten können. Als Polizistin hatte sie
im Lauf der Jahre mehr als genug häusliche Gewalt gesehen, aber dieser Fall war der schlimmste gewesen, und die Bestie in Gestalt eines Ehemanns, die daran die Schuld trug, war ein verschlagener, rachsüchtiger Bastard. Blind starrte sie auf die Regale voller Akten und zwang sich, logisch zu denken.
»Aber er kann es nicht sein. Er ist zu lebenslanger Haft verurteilt und sitzt seit achtzehn Monaten im Gefängnis von Goulburn.«
»Wir werden das trotzdem überprüfen«, beschloss Alec, und beinahe hätte sein Ton - sanft, erfüllt von Mitgefühl - sie restlos aus der Fassung gebracht.
Sie fummelte am Rand einer Mappe im Regal herum und hielt das Gesicht abgewandt. »Und was das andere angeht, es gibt nicht viele Expartner.« Nach dem Abzählen waren noch viele Finger übrig, aber das würde sie nicht sagen. Nicht einem Mann, der Blusen mit einer Hand aufknöpfen konnte und dem die Frauen wahrscheinlich reihenweise vor die Füße sanken. »Und keiner von ihnen würde eine solche Gefahr darstellen.«
»Ist Steve Fraser einer davon?«
Die leise gestellte Frage traf sie völlig unvorbereitet, und sie schnappte hörbar nach Luft.
»Wieso fragen Sie das?«, konterte sie.
»Es ist nicht zu übersehen, dass sich zwischen Ihnen beiden einmal etwas abgespielt hat.«
Am besten strikt bei der Wahrheit bleiben. Diesem Kerl entging kaum etwas, und außerdem konnte es ihr schließlich egal sein, was Alec Goddard von ihr dachte. Sie drehte sich um, sah ihm in die Augen und zuckte lässig mit den Schultern. »Das ist lange her. Wir waren im selben Ausbildungsjahrgang und haben unsere Probezeit
als Constables in derselben Stadt absolviert. Da war der Wohnraum knapp, und wir haben eine Zeit lang zusammengewohnt. Die eigentliche Beziehung war nur von kurzer Dauer.«
Nichts in seiner Miene ließ auf seine Gedanken schließen. »Wie hat er die Trennung verarbeitet?«
»Es dauerte eine Woche, bis sein angekratzter Stolz akzeptieren konnte, dass es vorbei ist; in der Woche drauf hatte er dann eine Neue.« Und in der nächsten Woche wieder eine Neue und immer so weiter, die ganze weibliche Einwohnerschaft der kleinen Stadt durch, wobei er seinen Ruf als Playboy sichtlich genoss. Wohingegen sie den größten Teil der darauffolgenden zehn Jahre als Single verbracht hatte; an Angeboten hatte es nicht gefehlt, aber gereizt hatten sie nur wenige. »Eisprinzessin« wurde sie von einigen Kollegen genannt, und nicht nur hinter ihrem Rücken.
»Wie würden Sie Ihre jetzige Beziehung zu ihm beschreiben?«
Eine naheliegende Frage, dachte sie, angesichts der Tatsache, dass Morde und tätliche Übergriffe meistens von Personen verübt wurden, die ihre Opfer persönlich kannten.
»Wir sehen uns kaum. Er ist inzwischen in Moree, und ich war in Tamworth. Ich bin ihm zu ernst, und er findet, ich müsste lockerer werden; ich halte ihn für unüberlegt und nachlässig bei der Arbeit. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn wir zusammenarbeiten, gehen wir uns gegenseitig furchtbar auf die Nerven.«
Alec nickte nur knapp und blickte ins Leere, aber seine Finger trommelten in unbewusster Anspannung auf das Holz der Stuhllehne.
»Mir ist nicht klar, was meine Beziehung
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