Dungirri 01 - Schwarze Dornen
Schule war er …«, ein Schluchzen blieb in ihrer Kehle stecken, dann noch eins, und schmerzerfüllt würgte sie die nächsten Worte hervor. »Er … er war der Weihnachtsmann …«
12
A lec fing sie auf, als sie an der Wand hinabglitt. Er zog sie an sich und hielt sie im Arm, während sie von Schluchzern geschüttelt wurde.
Erst vor ein paar Stunden hatte er gedacht, es könne keine schlimmere Qual für einen Menschen geben als den stummen Schrei, der ihr Gesicht während ihres Albtraums verzerrt hatte. Doch nun wusste er es besser, und er konnte nichts tun, um sie aus dieser Hölle zu erlösen.
Seine Augen brannten, und diesmal fand er keine tröstlichen Worte, wie die Beteuerung, sie sei in Sicherheit, die er ihr in den frühen Morgenstunden zugeflüstert hatte. Er wollte um sie weinen, wollte mit ihr weinen, um diesen tiefen Vertrauensverlust, der einen schwächeren Menschen vernichtet hätte. Wie furchtbar die Gräuel auch waren, die er gesehen hatte, er hatte nie den Glauben daran verloren, dass es Dinge gab - und Menschen -, für die es sich zu kämpfen lohnte. Er hatte Verbrechen aufgeklärt, bei denen er einen Blick in die Hölle getan hatte, niemals aber hatte er, wie Bella, diese finsteren, wilden Abgründe in den Augen von Freunden entdecken müssen, von Menschen, denen er vertraute. Nun verstand er, weshalb sie vor der Welt geflüchtet war, sich von allen außer Finn abgeschottet hatte.
»Es tut mir leid, Bella. Es tut mir so leid«, flüsterte er in ihr Haar und wusste, dass diese Worte völlig bedeutungslos
waren angesichts dessen, was sie erlebt hatte. Und dass sie seinen unglaublichen, dummen Mangel an Sensibilität, seine Zweifel an Fraser auszusprechen, bevor irgendetwas bewiesen war, nicht ausgleichen konnten.
Er drückte sie an sich, unfähig, das Gewirr von Botschaften, Gedanken und Empfindungen, das in ihm tobte, zu entschlüsseln; er hatte nur die Gewissheit, dass dieser Moment ihn unwiderruflich verändern würde, dass er seine Gefühle gegenüber Bella, gegenüber sich selbst, nicht mehr einfach würde verleugnen können.
An einem bestand für ihn nicht die Spur eines Zweifels: Er wollte sie in seinen Armen halten. Und dieser Wunsch ging weit über das rein Körperliche hinaus, auch wenn das, unter all den anderen Empfindungen, ebenfalls da war. Ihr Kopf schmiegte sich an seine Schulter, dunkles, braunes Haar strich weich über seinen Hals, ihre geballten Fäuste lagen an seiner Brust, und die Muskeln ihres Rückens zuckten leicht unter seiner Hand. Zum Teufel mit Sinn und Verstand, Anstand und Regeln - was hier und jetzt geschah, war richtig , so richtig wie noch nie etwas zuvor in seinem Leben.
Allmählich beruhigte sie sich, bewegte sich aber nicht, und er wollte auch nicht, dass sie sie sich bewegte; denn sobald sie sich ihm entzog, würde die Wirklichkeit sich zwischen sie schieben, und womöglich würde er ihr niemals wieder so nah sein, niemals wieder ihren schlichten, sauberen Duft einatmen, sich ihr niemals wieder so verbunden fühlen wie in diesem Moment.
Isabelle atmete langsam und zittrig ein, dann noch einmal, und nur ganz allmählich kehrte ihre bewusste Wahrnehmung zurück. Erschöpft blieb sie genau da, wo sie
war, sie brauchte diese Arme um sich, den hoch gewachsenen Körper, an den sie sich lehnen, auf den sie sich stützen konnte.
In ein paar Minuten würde sie der realen Welt wieder gegenübertreten. Jetzt aber schwebte sie mit geschlossenen Augen in einer eigenartigen Zwischenwelt, sie versagte sich das bewusste Denken und nahm die Gegenwart nur durch Geräusche, Berührungen und Gefühle wahr.
In allen Einzelheiten spürte sie die Hand auf ihrem Rücken, fünf Finger, eine große Handfläche, der feste Druck, der die Wärme direkt an ihre Muskeln und Nerven abgab. Die zweite Hand auf ihrer Hüfte. An ihrem ganzen Körper die gebändigte Kraft seines Körpers, der sie an Beinen, Becken und Armen berührte, ihre zu Fäusten geballten Hände an seiner Brust, ihr Gesicht zwischen Hals und Brust geschmiegt. Unter ihrer Wange ein klopfendes Herz.
Vielleicht klopfte es eine Spur Wirklichkeit in ihr entrücktes Bewusstsein, denn sie fragte sich, weshalb sie sich ihm nicht widersetzte, angesichts seiner Nähe keine Panik verspürte. Stattdessen war da eine tröstliche Vertrautheit, und die leise Stimme in ihrem Kopf, die sie aufforderte, von ihm abzurücken, war leicht zu ignorieren.
Umgeben von diesem sicheren Hafen glitt sie in die leere Hülle ihres Körpers
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