Dungirri 01 - Schwarze Dornen
er kannte nicht mal den Unterschied, die anderen wüssten es wahrscheinlich, aber das war jetzt vollkommen egal, denn es war nicht Tanya.
Bella schwankte, und Steve fing sie auf und zog sie an sich. Er wandte das Gesicht von Alec ab, doch da glitzerte bereits das Sonnenlicht auf seinen nassen Wangen.
Adam drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im Busch.
Alec rief ihn nicht zurück. Sie hatten gefunden, was sie finden sollten, hatten sich genau so in den seelischen Schraubstock spannen lassen, wie ihr Gegner es geplant hatte. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass der Dreckskerl sie eine Zeit lang über ihr Versagen nachdenken lassen würde, bevor er das nächste Mal zuschlug.
Er wollte bei Bella sein, doch sie sollte den Zorn nicht spüren müssen, der in ihm tobte, die unbändige Wut auf den Mörder, der zu so etwas fähig war, und auf sein eigenes Versagen. Er hatte Tanya enttäuscht und Isabelle und überhaupt alle. Also blieb er an Ort und Stelle und
schlug die Decke weiter von dem Tier zurück, achtete darauf, den Totenschädel nicht herunterzustoßen, und versicherte sich, dass keine Gefahren oder zusätzlichen Schrecken lauerten, bevor die anderen näher kamen.
Über einem Loch in der Brust starrten die glasigen Augen der Kreatur ins Leere.
Er hörte Schritte auf trockenem Laub, dann kniete Bella neben ihm nieder. Direkt neben ihm, sodass ihre Schultern sich berührten, und sie legte die Hand auf seine. Diese schlichte Geste der Verbundenheit war ein völlig unerwarteter Trost, so als wisse sie, welche Überwindung es ihn gekostet hatte, unter die Decke zu sehen. Er schloss die Finger um ihre, dankbar für ihre Gegenwart, und war aufs Neue erschüttert von ihrer Kraft, die ihr erlaubte, nach einem solchen Schock noch an ihn zu denken.
»Es ist ein junges Känguru«, sagte sie. »Wahrscheinlich nicht mehr als ein paar Stunden tot.«
»Und mit einem einzigen Schuss erlegt. Aber das ist hier draußen wahrscheinlich nichts Besonderes.«
»Stimmt. Die Grundbesitzer schießen dauernd Kängurus. Vor allem in Dürrezeiten, so wie jetzt, wenn das Vieh nicht genug zu fressen hat. Sie sind nicht schwer zu erwischen, und hier in der Gegend haben wohl die meisten Erfahrung mit der Jagd auf Kängurus und andere Wildtiere.«
Also auch hier keine einfachen Antworten, wie Alec es schon erwartet hatte. Er deutete mit der freien Hand auf den menschlichen Schädel, mit der anderen hielt er Bella fest, zu seiner Beruhigung ebenso wie zu ihrer. »Der Schädel hat Weisheitszähne, stammt also von einem Erwachsenen. Nach Kieferform und Stirn eher männlich.
Vielleicht Charlie, was meinst du? Haben ihm die Schneidezähne gefehlt?«
Sie runzelte die Stirn und überlegte. »Ich erinnere mich nicht daran, aber wer weiß? Ich war noch ein Kind. Wahrscheinlich würde ich ihn nicht einmal auf einer Gesichtsrekonstruktion wiedererkennen. Und ich habe keine Ahnung, wie er mit Nachnamen hieß, es wird also schwierig werden, irgendetwas über ihn herauszufinden, es sei denn, jemand in der Stadt kannte ihn.«
»Der Schädel sieht jedenfalls ziemlich alt aus; wer immer es war, dürfte also schon vor langer Zeit gestorben sein.«
»Ja. Vielleicht sogar schon vor Jahrzehnten, je nach den äußeren Bedingungen. Von daher steht es bei uns jetzt nicht an erster Stelle.«
Sie seufzte und drückte kurz seine Hand, bevor sie die Finger löste. Sie stand auf und nickte zu Steve hinüber, der die Hütte untersuchte. »Wir müssen feststellen, ob dort irgendetwas ist.«
»Hast du so eine Hütte schon mal gesehen, Bella?«, fragte Steve, als sie zu ihm kamen.
»Im Heimatmuseum von Birraga«, entgegnete sie bitter. »Da gibt es eine Nachbildung. Vor circa hundert Jahren hat man so was benutzt, als es auf den Farmen noch so viele Leute gab, dass man Schäfer zu den Herden schicken konnte.«
Alec betrachtete die verlassene Konstruktion. Gute zwei Meter breit, einen knappen Meter tief und etwa eineinhalb Meter hoch. Er hätte, vor Sonne und Regen geschützt, darin sitzen können; ein kleinerer Mann hätte sich problemlos darin ausstrecken können. Oder ein Kind.
»Es gibt nur ein Schloss, und das ist außen«, stellte Bella leise fest. Sie zeigte auf die Enden der jungen Bäume, die die kleine Tür einfassten. »Und das Holz wurde vor nicht allzu langer Zeit geschlagen - vor ein, zwei Wochen wahrscheinlich.«
Alec beugte sich durch die Türöffnung und wartete einen Moment, bis seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Drinnen
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