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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu und hielt ihr Handgelenk fest.
    Jedenfalls versuchte er es.
    Vera führte die Bewegung seelenruhig zu Ende, und Jans Hand wurde einfach mitgezerrt. Hätte er sie nicht losgelassen, wäre er umgerissen worden. Es war, als versuche er mit bloßen Händen einen Baukran aufzuhalten.
    »Später«, sagte sie sehr ruhig. »Sie steckt schon viel zu tief in dieser Geschichte. Zieh sie nicht noch tiefer hinein. Es wäre nicht gut.«
    Jan starrte fassungslos seine eigene Hand an, dann das dunkelhaarige, zierliche Mädchen vor sich, das ihm kaum bis zur Schulter reichte und aussah, als könnte es mit Mühe und Not eine vollgepackte Einkaufstasche tragen. Veras unheimlicheAugen fixierten ihn, und er konnte die gewaltige Kraft, die hinter ihren fahlblassen Pupillen lauerte, fast körperlich spüren. Er wußte, daß Vera seinen Willen ohne die geringste Anstrengung hinwegfegen und ihm ihren eigenen aufzwingen konnte, aber sie verzichtete darauf.
    Sie blickte ihn nur einen Moment lang an, dann drehte sie sich um und wandte sich an Katrin. Etwas in ihrem Blick änderte sich. Jan konnte die suggestive Kraft, die plötzlich von ihr ausging, beinahe mit Händen greifen.
    »Geh und pack ein paar Sachen zusammen«, sagte sie. »Und dann ruf deinen Bruder an.«
    Katrin nickte, drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort im Schlafzimmer.
    »Es tut mir leid«, sagte Vera, nun wieder an Jan gewandt. »Aber es ist besser so, glaub mir.«
    Jan hörte nicht einmal, was sie sagte. Er starrte Vera bloß an, und für eine Sekunde hatte er einfach nur Angst. »Wer bist du?« flüsterte er. » Was bist du?«
    Bevor sie antwortete, warf Vera einen raschen Blick zur Schlafzimmertür, als wollte sie sich vergewissern, daß Katrin auch wirklich außer Hörweite war. »Weißt du das denn nicht längst?« fragte sie.
    Natürlich wußte er es. Aber er wollte es einfach nicht wissen. Es war eines der Dinge, die nicht sein konnten, weil sie nicht sein durften. »Bitte«, sagte er einfach nur.
    Vera seufzte. Zu seiner Erleichterung setzte sie die Sonnenbrille wieder auf, bevor sie antwortete. »Ich habe es dir erzählt«, begann sie. »Was ich dir gestern gesagt habe, war die Wahrheit.« Sie hob die Hand, als Jan sie unterbrechen wollte. »Ich weiß, was du sagen willst. Ich habe mich … ziemlich dumm benommen. Ich dachte, es wäre besonders raffiniert, aber es war wohl … nicht sehr geschickt. Ich habe nicht besonders viel Erfahrung in solchen Dingen.«
    »Was für Dinge?«
    »Du begreifst nicht, worum es hier geht«, sagte Vera eindringlich. »Du hättest nichts von all dem erfahren dürfen. Weder du noch Katrin. Es tut mir wirklich leid, aber es ist nun einmal passiert. Alles, was jetzt noch wichtig ist, ist dich und Katrin in Sicherheit zu bringen. Ich kann dich schützen, aber nicht euch beide zugleich.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage«, sagte Jan. »Was bist du?«
    »Es wäre besser für dich, wenn du das nicht weißt«, sagte Vera ernst. »Für euch beide.«
    Etwas in Jan rastete einfach aus. Er spürte, wie irgendeine Sicherung in seinem Gehirn durchbrannte, und für einen Moment brannte nur noch Zorn in ihm. Er konnte – er wollte – nicht mehr dagegen ankämpfen, sondern spürte nur noch Wut, grenzenlose Wut auf die Macht, die über sein Leben hereingebrochen war und sich anmaßte, es nach Belieben zu zerstören. Noch vor wenigen Tagen war er gesund und halbwegs erfolgreich gewesen, hatte eine intakte Beziehung gehabt, einen bescheidenen Erfolg in seinem Beruf und eine gemütliche Wohnung. Jetzt war sein Leben ein Trümmerhaufen. Er war krank, wurde von einer Macht jenseits aller Vorstellung verfolgt, mußte um sein Leben kämpfen und war in einen Mordfall verwickelt; möglicherweise sogar als Tatverdächtiger. Ihm war weh getan worden, und er konnte einfach nicht anders, als nun seinerseits jemandem weh zu tun. Ohne Warnung sprang er vor, holte aus und schlug zu, nicht mit der flachen Hand, um sie zu ohrfeigen, sondern mit der geballten Faust und mit aller Kraft, die er aufbringen konnte.
    Es war, als hätte er gegen Stahl geschlagen. Seine Knöchel knackten hörbar, und ein scharfer Schmerz zuckte durch seine Hand bis in den Ellenbogen hinauf, so schlimm, daß es ihm die Tränen in die Augen trieb. Er spürte, wie die Haut über seinenKnöcheln aufplatzte, taumelte zurück und sah Vera durch einen Schleier aus Tränen hindurch an.
    Auch Vera war einen halben Schritt zurückgewichen, aber es war nur die Wucht seines

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