Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
weiß, wie ich ihn umbringen kann. Hilf mir einfach nur, ihn in eine Falle zu locken. Alles andere erledigen wir.«
»Das dürfte nicht besonders schwer sein«, sagte Jan spöttisch. »Ich schätze, ich muß einfach nur warten. Früher oder später wird er schon auftauchen.«
»Im Moment nicht. Du hast ihn ziemlich schwer verletzt. Er wird mindestens einen Tag oder zwei brauchen, um sich davon zu erholen.«
»Was seine Laune ganz bestimmt nicht bessert.«
Vera lächelte flüchtig. »Nein. Aber vielleicht ist das genau das, was wir brauchen. Er ist wütend. Jemand, der wütend ist, macht Fehler.« Sie machte eine Geste, welche die gesamte Wohnung einschloß. »Warum legst du dich nicht hin? Ich räume hier inzwischen ein bißchen auf.«
»Du?« Die Vorstellung, daß ein Wesen wie Vera sich eine Schürze umbinden und sich als Hausfrau betätigen wollte, erschien ihm lächerlich, erst recht jetzt, wo er wußte, was sie war.
»Warum nicht?«
»Ich bin nicht müde«, behauptete Jan, aber das war natürlich gelogen.
»Doch«, antwortete Vera. »Das bist du.« Sie nahm die Brille ab und fixierte ihn aus ihren sonderbaren Augen. »Ich könnte dich davon überzeugen, daß du es bist, weißt du?«
Aber das konnte sie nicht. Ganz plötzlich wußte Jan, daß Vera ihre Macht über seinen Willen verloren hatte, im gleichen Moment, in dem er um diese Macht wußte. Jan hatte sich nie um Dinge wie Hypnose gekümmert, aber es mußte wohl tatsächlich so sein, daß man niemanden gegen seinen Willen hypnotisieren konnte. Er ließ es jedoch nicht wieder auf eine Kraftprobe ankommen. Er war zwar fast sicher, sie zu gewinnen, aber Vera mußte ja schließlich nicht alles wissen.
Außerdem hatte sie in einem Punkt recht: Er war müde. Eswar noch nicht besonders spät, aber er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und einen vermutlich noch viel anstrengenderen vor sich. Wenn Nosferatu alias Vlad – oder wie immer er auch heißen mochte – seine Wunden geleckt hatte und zurückkam, dann würde er jedes bißchen Kraft brauchen, das in ihm steckte.
»Meinetwegen«, murmelte er. »Du weißt ja, wo alles ist. Fühl dich wie zu Hause.«
Zu seiner Überraschung schlief er nicht nur fast augenblicklich ein, sondern schlief auch sehr tief und ohne zu träumen. Als er erwachte, war es noch hell. Er spürte, daß nur wenige Stunden vergangen waren. Trotzdem fühlte er sich ausgeruht und kräftig.
Es klingelte. Jan setzte sich überrascht auf, blinzelte und machte sich mit einiger Mühe klar, daß ihn genau dieses Klingeln geweckt hatte.
Er stand auf, verließ das Schlafzimmer und stellte mit einem flüchtigen Blick in die Runde fest, daß Vera Wort gehalten und alle Spuren seiner letzten Begegnung mit Vlad beseitigt hatte. Vampirismus und eine gewisse Häuslichkeit schlossen sich offenbar nicht grundsätzlich aus. Die Wohnung sah aus wie geleckt, wenn man über die Spuren von Vlads erstem Besuch hinwegsah, die sich nicht mit Staublappen und Besen beseitigen ließen. Von Vera selbst war nichts zu sehen, was Jan aber nicht unbedingt bedauerte.
Es klingelte zum dritten Mal an der Tür, als Jan in die Diele trat. Er öffnete, riß die Tür schwungvoll auf und sah sich dem Menschen gegenüber, den er im Moment am allerwenigsten sehen wollte.
»Oh!«
»Ja, ich freue mich auch, Sie zu sehen«, sagte Krieger. »Darf ich einen Moment hereinkommen?«
»Ungern«, antwortete Jan.
»Danke«, sagte Krieger und hob die Hand, um Jan einfach zur Seite zu schieben. »Eigentlich müßten wir uns prächtig verstehen, finden Sie nicht auch? So oft, wie wir derselben Meinung sind …«
Es lag Jan auf der Zunge, Krieger zu sagen, wohin er sich seine lahmen Witze schieben konnte, aber er besann sich im letzten Moment eines Besseren. Es hatte keinen Sinn, den Kriminalbeamten unnötig zu reizen. Es war einfach klüger, gute Miene zu bösem Spiel zu machen und darauf zu hoffen, daß der Kerl möglichst schnell wieder verschwand.
»Was wollen Sie?« Niemand konnte ihn zwingen, freundlich zu sein, oder?
»Eigentlich habe ich nur ein paar Fragen.« Krieger stiefelte in schon gewohnter Manier an ihm vorbei und sah sich dabei unverhohlen um. Wenn ihm auffiel, wie sehr sich die Wohnung verändert hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken. »Theoretisch hätten wir sie auch telefonisch abklären können, aber Sie reagieren ja nicht auf Anrufe.«
Jan schluckte auch diese Spitze, ohne zu reagieren. Er schloß die Tür, warf einen raschen Blick auf den
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