Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Hausflur und bemerkte dabei, daß die Tür der Nachbarwohnung hastig ins Schloß gedrückt wurde, folgte Krieger ins Wohnzimmer und sagte: »Nehmen Sie ruhig Platz.«
Krieger saß bereits und grinste ihm feist entgegen. »Es ist immer wieder herzerfrischend, mit Ihnen zu reden. Man trifft in meinem Beruf auf so viel Feindseligkeit, daß es eine wirkliche Labsal ist, einen Menschen kennenzulernen, der Verständnis dafür hat, daß ich nur meinen Beruf ausübe.«
Jan lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen den Türrahmen und starrte Krieger an. »Was wollen Sie?«
»Nur ein paar Antworten, Herr Feller.« Krieger lächelte immer noch, aber sein Tonfall hatte sich verändert. Jan ermahntesich innerlich zu Vorsicht. Krieger war nicht gekommen, um ihm einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. »Das meiste haben wir ja schon geklärt, aber es gibt da noch ein paar Punkte, die der Klärung bedürfen.« Er machte ein bedauerndes Gesicht. »Ich finde es selbst lästig, aber Sie wissen ja, wie wir Beamten sind. Alles muß seine Richtigkeit haben und hundertundzehnprozentig –«
»Hören Sie auf, Krieger«, unterbrach ihn Jan. »Die Rolle des Columbo steht Ihnen nicht.«
Das Lächeln verschwand nun nicht nur aus Kriegers Stimme, sondern auch aus seinem Gesicht. »Ganz wie Sie wollen, Herr Feller.« Er machte eine entsprechende Kopfbewegung. »Bitte setzen Sie sich.«
Diese Bitte hatte allerdings mehr von einem Befehl, was um ein Haar dazu geführt hätte, daß Jan ihr nicht gehorcht hätte. Aber dann machte er sich klar, daß Krieger vermutlich gar nicht anders konnte. Und schließlich hatte er sich fest vorgenommen, ihn nicht unnötig zu provozieren. Er setzte sich.
»Wir ermitteln immer noch im Fall Ihres Bruders«, begann Krieger.
»Wieso?« fragte Jan. »Ich dachte, es wäre alles geklärt. Morgen früh ist die Beerdigung.«
»Die Staatsanwaltschaft hat den Leichnam freigegeben«, bestätigte Krieger. Er seufzte. »Leider bedeutet das nicht, daß damit automatisch alle Fragen beantwortet wären.«
»Mein Bruder hatte einen Herzanfall.«
»So sieht es aus«, sagte Krieger. »Aber Ihr Bruder war kerngesund. Ich werde immer mißtrauisch, wenn so etwas aus heiterem Himmel passiert. Sie hatten vor kurzem auch so eine Art Herzanfall, nicht wahr?«
»Das wissen Sie doch verdammt genau«, knurrte Jan. Gute Vorsätze hin oder her, Krieger hatte es bereits geschafft, ihn aus der Ruhe zu bringen. »Was wollen Sie eigentlich?«
»Die Wahrheit.«
»Die habe ich Ihnen bereits erzählt«, sagte Jan.
»Sie bleiben dabei, Ihren Bruder an diesem Abend nicht gesehen zu haben?«
»Natürlich.«
»Dann erklären Sie mir, wie Ihre Fingerabdrücke auf den Wagen Ihres Bruders kommen.«
Im ersten Moment war Jan so erschrocken, daß er fast in Panik geriet. Dann sagte er: »Wie Sie selbst gesagt haben: Es ist der Wagen meines Bruders. Es ist nicht so ungewöhnlich, daß Sie meine Fingerabdrücke darauf finden. Woher, zum Teufel, haben Sie überhaupt meine Fingerabdrücke?«
»Wir haben sie, und das muß genügen.« Krieger zog einen Briefumschlag aus dem Jackett und legte ihn vor sich auf den Tisch. »Selbstverständlich haben Sie recht. Es ist keineswegs ungewöhnlich, wenn sich Ihre Fingerabdrücke auf dem Wagen Ihres Bruders finden. Aber sehen Sie – im Handschuhfach fand sich die Quittung einer Waschstraße. Offensichtlich hat Ihr Bruder seinen Wagen keine drei Stunden vor seinem Tod waschen lassen.«
»Und?« Jan hatte keine andere Wahl mehr, als hart zu bleiben. »Sie haben schlampig gearbeitet. So etwas soll ja vorkommen.«
»Warum lügen Sie?« fragte Krieger.
»Ich lüge nicht.«
Krieger seufzte. »Tun Sie doch. Sie haben behauptet, den ganzen Abend zu Hause gewesen zu sein. Aber das stimmt nicht.« Er beugte sich vor, öffnete umständlich den Briefumschlag, den er auf den Tisch gelegt hatte, und zog eine Fotografie heraus. Sie war von schlechter Qualität und schwarzweiß, aber Jan erkannte trotzdem sofort, was sie zeigte.
»Dieses Bild stammt aus dem Radarkasten an der Bergheimer Straße«, erklärte Krieger ruhig. »Sie sind ein bißchen zuschnell gefahren. Aber keine Sorge. Ich habe mich erkundigt: Es wird Sie nicht den Führerschein kosten. Sie kommen mit einer Geldstrafe davon.«
Jan griff mit zitternden Händen nach dem Bild. Es zeigte Katrins weißen Golf, aber der Mensch hinter dem Steuer war er. Die Buchstaben und Ziffern darunter erklärten, daß er zweiundsechzig Stundenkilometer gefahren
Weitere Kostenlose Bücher