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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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genug.«
    »Du hast mir nicht verraten, daß ihr euch unsichtbar machen könnt.«
    »Wozu auch? Du weißt es doch sowieso.« Vera machte eine wedelnde Handbewegung. »Außerdem war ich nicht unsichtbar. Ich habe dir nur nicht gestattet, mich zu sehen.«
    »Und das ist ein Unterschied?«
    Vera deutete erneut in Kriegers Richtung. »Was wirst du seinetwegen unternehmen?«
    Es war ein Unterschied. Ein gewaltiger Unterschied. Ein wichtiger Unterschied. »Ich?« Jan schnaubte. »Du bist witzig, weißt du das? Schließlich habt ihr dafür gesorgt, daß ich den Kerl am Hals habe.«
    »Das stimmt«, sagte Vera ruhig. »Wenn du darauf bestehst, dann kümmern wir uns um ihn.«
    Jan starrte sie an. Vera lächelte zwar, aber er war nicht hundertprozentig sicher, daß es wirklich ein Scherz war. Wer sagte ihm eigentlich, daß er Vera auch nur einen Millimeter weiter trauen durfte als Vlad? Er hatte nur ihr Wort. Mehr nicht.
    »Nein«, sagte er. »Schon gut.«
    »Das dachte ich mir«, antwortete Vera. Sie legte die Stirn in Falten. »Dein Bruder wird morgen beerdigt?«
    Hätte Krieger ihn nicht daran erinnert, hätte er es möglicherweise vergessen. Sein Leben war nachhaltiger aus der Bahn geraten, als er es vor wenigen Tagen noch für möglich gehalten hätte.
    »Ja.«
    »Und du willst wirklich hingehen?« Die Frage klang, als müßte er zu einer Party, bei der ihn niemand vermissen würde.
    »Natürlich. Bist du verrückt?«
    »Nein. Nur besorgt. Die Beerdigung wäre eine gute Gelegenheit für ihn, zuzuschlagen.«
    »Du meinst, weil das Ambiente stimmt«, vermutete Jan.
    »Dein Sarkasmus ist unangebracht«, sagte Vera ruhig. »Du hast anscheinend immer noch nicht begriffen, in welcher Lage du bist.«
    »Jetzt klingst du wie Krieger«, sagte Jan.
    »Weil er recht hat! Dein Leben ist in Gefahr.«
    »Was für eine Überraschung.«
    »Ich mache keinen Spaß«, fuhr Vera unbeeindruckt fort.»Du solltest nicht dorthin gehen. Nosferatu hat dort alles, was er braucht: Viel freien Raum, genügend Verstecke, Menschen … eine bessere Gelegenheit kann er sich kaum wünschen.«
    Jan schüttelte heftig den Kopf. »Es ist die Beerdigung meines Bruders. Ich muß hingehen.«
    »Das verstehe ich«, sagte Vera. Sie klang besorgt. »Wir werden dich beschützen, so gut es geht. Vielleicht ist das sogar die Gelegenheit, auf die wir gewartet haben … aber keine Angst. Du wirst nicht einmal merken, daß wir da sind.«
    »Wie beruhigend«, murmelte Jan.
    Dabei war es gerade das, was ihm angst machte.
     
    Einmal geweckt, fiel es ihm schwer, wieder einzuschlafen – vor allem nach Kriegers Besuch und den unangenehmen Konsequenzen, die sich möglicherweise daraus ergaben. Krieger konnte ihm Schwierigkeiten machen, und Jan war sich ganz und gar nicht sicher, daß er es nicht tun würde.
    Sonderbarerweise fiel es ihm schwer, wirklich wütend auf den Kriminalbeamten zu sein. Krieger war ein Unsympath; ein Beamter eben. Aber er tat letzten Endes nur seine Arbeit, und die tat er erstaunlich effektiv – wenn man bedachte, womit er es zu tun hatte. Jan glaubte ihm sogar, daß er nichts gegen ihn persönlich hatte. Krieger war einfach nur konsequent. An seiner Stelle hätte Jan vielleicht sogar genau dasselbe getan: Er hätte sich das schwächste Glied in der Kette gesucht und es so lange unter Druck gesetzt, bis es nachgab. Unglücklicherweise war er selbst, Jan, dieses Glied. Und selbst wenn er nachgab und Krieger alles erzählte, würde er ihm ganz bestimmt nicht glauben. Das konnte er gar nicht.
    Mit diesen Gedanken schlief er schließlich doch ein und erwachte auch wieder damit; tief in der Nacht und noch lange vor Sonnenaufgang. Er war hundemüde. Ohne auf die Uhr sehenzu müssen, wußte er, daß es zwischen drei und vier Uhr morgens war. Viel zu früh, um aufzustehen. Irgend etwas hatte ihn geweckt.
    Ein Traum.
    Natürlich hatte er von Nosferatu geträumt, diesem scheußlichen Ding, das in sein Leben eingebrochen war und es selbst in einen Alptraum verwandelt hatte. In dem Alptraum, aus dem er gerade erwacht war, hatte er Nosferatu als dunkle Gestalt in einem schwarzen Mantel gesehen, der in Wirklichkeit aus einem Paar riesiger zusammengelegter Fledermausflügel bestand, eine Gestalt mit totenbleichem Gesicht, mörderischen Krallen und spitzen Vampirzähnen, und vielleicht kam er damit der Wirklichkeit sogar ziemlich nahe. Es mußte einen Grund haben, daß Vampire nicht nur in allen Mythologien der Welt auftauchten, sondern auch stets gleich aussahen.

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