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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Betonröhren, durch die übelriechendes Wasser floß und vergitterte Tunnel, in deren Tiefe sich Schatten bewegten.
    Jetzt hörte Jan das Scharren harter Pfoten auf dem Boden,manchmal ein leises Quieken und Fiepen, und einmal sah er einen pelzigen Körper mit einem absurd langen, nackten Schwanz davonhuschen. Winzige schwarze Knopfaugen starrten ihn aus der Dunkelheit heraus an. Ratten. Hier unten gab es Ratten. Selbstverständlich. Was hatte er erwartet?
    Zu seiner Erleichterung schienen die ekelhaften kleinen Biester noch mehr Angst vor ihm zu haben, denn keines davon kam ihm auch nur nahe.
    Er überlegte, welchen Tunnel er nehmen sollte, zog schließlich die Kamera wieder aus der Tasche und machte einige Aufnahmen. Auf der dritten fand er, wonach er gesucht hatte: Einen Gang, den ihm seine Augen nicht zeigten. Ein weiteres Hoch auf die moderne Technik!
    Während er sich dem Stollen näherte, dachte er darüber nach, daß Veras Sorge vielleicht berechtigter war, als auch sie selbst ahnen mochte. Dinge wie Digitalkameras, Videoüberwachung und vollcomputerisierte Gebäude waren vielleicht noch nicht die Norm, aber sie befanden sich eindeutig auf dem Vormarsch. In den vergangenen Jahrhunderten hatte Veras Spezies nur das Problem gehabt, Spiegeln aus dem Weg zu gehen, und selbst das war ihnen nicht immer gelungen, wie unzählige Mythen und Legenden berichteten. In einer Welt, die von Computern, Infrarot-Schranken und digitaler Bilderfassung beherrscht wurde, hatten sie praktisch keine Chance, länger unerkannt zu bleiben. Vampire paßten nun einmal nicht ins einundzwanzigste Jahrhundert.
    Nachdem er dem Gang ungefähr hundert Schritte weit gefolgt war, sah er Licht vor sich; nicht den unwirklichen, grauen Schimmer, der hier überall herrschte, sondern einen flackernden, rötlich-gelben Schein. Feuer. Dort vorne brannte ein Feuer oder eine Fackel.
    Er beschleunigte seine Schritte, erreichte das Ende des Tunnels und fand sich unversehens in einer hohen, rechteckigenHalle wieder, in deren Wände zahlreiche Vertiefungen, Nischen und Alkoven eingelassen waren. In zweien davon brannten tatsächlich Feuer, und in mehreren weiteren entdeckte er heruntergebrannte Gluthäufchen, offenbar hatte dort vor kurzer Zeit noch Feuer gebrannt. Der Anblick erinnerte ihn an etwas, aber er wußte nicht genau, woran.
    Jan zog die Kamera heraus, machte eine einzelne Aufnahme und drückte den Wiedergabeknopf.
    Er erstarrte.
    Der Raum war nicht leer.
    Aber er sah auch nicht den Jungen oder Vlad. Vielmehr entdeckte er auf dem Foto gleich Dutzende, wenn nicht Hunderte von zerlumpten Gestalten: Männer, Frauen, Kinder, Alte – der Anblick erinnerte Jan mehr als alles andere an eine Zigeunersippe; nicht daran, wie sie wirklich aussahen, sondern daran, wie man sie sich vorstellen mochte, wenn man von der Wirklichkeit keine Ahnung hatte. Die Frauen trugen zum Großteil bunte Kopftücher und lange, bauschige Kleider, dazu farbenfrohe Accessoires und ein Übermaß an Schmuck. Die Männer waren einfach, aber zweckmäßig gekleidet – schwere Wollhosen und grobes Schuhwerk, viele trugen auch Stiefel, dazu weiße Hemden mit bauschigen Ärmeln und grobe Westen. Viele trugen Messer in den Gürteln, und zumindest bei einem entdeckte Jan sogar einen Krummsäbel, an dessen Griff eine bunte Troddel befestigt war.
    Das Bild flackerte, verschwand für einen Moment ganz und stabilisierte sich dann wieder. Die Feuchtigkeit begann allmählich ihren Tribut zu fordern.
    Jan drehte sich auf dem Absatz um, machte eine Aufnahme von einer der beiden Nischen, in der ein Feuer brannte, und war nicht besonders überrascht, auf dem Monitor nicht nur das Feuer zu sehen, sondern auch drei Gestalten, die sich an den prasselnden Flammen wärmten. Es waren zwei Frauen unterschiedlichenAlters, sowie ein hochgewachsener Mann mit strähnigem, langem Haar, der in seine Richtung blickte.
    Er steckte die Kamera ein, ging auf den Alkoven zu und hoffte inständig, daß er sich die Position der drei Menschen (Menschen?!) gut genug eingeprägt hatte, um niemandem aus Versehen auf die Füße zu treten.
    Er trat gebückt unter dem steinernen Torbogen hindurch. Neben, vor, hinter dem Feuer flackerte etwas. Schatten erschienen aus dem Nichts und versuchten, Form anzunehmen. Nicht unbedingt menschliche Schatten. Ihre Umrisse waren grob menschlich, aber mehr auch nicht. Er versuchte nicht, Einzelheiten zu erkennen.
    »Was willst du hier?«
    Eigentlich waren es nicht wirklich Worte, so wie die

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