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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Leben gerettet hatte. Sein Benehmen mußte ihr ziemlich unhöflich vorkommen. Was es auch war. Aber Jan hatte in den letzten sechsunddreißig Stunden zu viel Außergewöhnliches erlebt – und das ziemlich sichere Gefühl, daß es damit noch lange nicht vorbei war –, um sich jetztauch noch mit den Problemen einer ausgeflippten Punkerin abzugeben. Auch wenn er sich hütete, es in Katrins Gegenwart so deutlich auszusprechen: Vera hatte es selbst gesagt. Jeder an ihrer Stelle hätte dasselbe getan.
    Sie warteten in unbehaglichem Schweigen darauf, daß der Kellner kam und die Rechnung brachte. Katrin bezahlte, fügte ein exorbitantes Trinkgeld hinzu, das keinem anderen Grund entsprang als ihrem schlechten Gewissen Vera gegenüber, und drückte ihre Zigarette in den Aschenbecher. Dann stellte sie eine Frage, für die Jan sie in diesem Moment hätte erwürgen können.
    »Wenn Sie kein Geld wollen … können wir sonst vielleicht noch irgend etwas für Sie tun?«
    »Na … ja«, antwortete Vera zögernd. »Aber es ist vielleicht ein bißchen unverschämt.«
    »Nur zu«, sagte Katrin aufmunternd.
    Veras unsichtbare Augen warfen einen kurzen, prüfenden Blick in Jans Richtung, ehe sie sich wieder ganz zu Katrin umwandte und sagte: »Wie gesagt: Ich habe im Moment eine kleine Pechsträhne. Ich könnte ein Plätzchen gebrauchen, an dem ich übernachten kann.«
     
    Zumindest mußte man Vera zugute halten, daß sie ein ausgesprochen angenehmer Hausgast war – wenigstens am ersten Abend.
    Sie fuhren nach Hause, und seine Lebensretterin half Katrin nicht nur unaufgefordert, ihre Pakete nach oben zu tragen, sondern zog sich nach kaum zehn Minuten in Jans kurzerhand zum Gästezimmer improvisiertes Arbeitszimmer zurück. Die Couch darin war alles andere als bequem. Jan wußte das genau, denn er hatte mehr als eine Nacht darauf verbracht.
    Er saß im Wohnzimmer und sah fern, als Katrin auf Zehenspitzen aus dem Büro kam und die Tür hinter sich zuzog. Sie tates nicht nur übertrieben vorsichtig, sondern legte auch noch den Zeigefinger über die Lippen. Man hätte glauben könnte, in dem Zimmer dahinter schliefe ein schwerkrankes Kind.
    »Sie schläft«, sagte sie überflüssigerweise. Noch mütterlicher fügte sie – noch dazu im Flüsterton – hinzu: »Mach den Fernseher leiser – bitte.«
    Der Fernseher war nicht zu laut. Ganz im Gegenteil. Trotzdem angelte Jan nach der Fernbedienung und dämpfte die Lautstärke so sehr, daß praktisch nichts mehr zu hören war.
    »Ich wußte gar nicht, daß in dir eine barmherzige Samariterin schlummert«, sagte er. »Muß ich dich ab sofort ›Mutter Teresa‹ nennen?«
    Katrin überging die Frage, lief – immer noch auf Zehenspitzen – an ihm vorbei und nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Vitrine. Sie hatte überall in der Wohnung Zigaretten deponiert, als ertrüge sie die Vorstellung nicht, ihre Nikotinration nicht in unmittelbarer Reichweite zu haben.
    »Immerhin hat sie dir das Leben gerettet«, sagte sie, während sie ihr Feuerzeug aufflammen ließ und einen tiefen, fast schon gierigen Zug nahm. »Was hätten wir tun sollen? Sie auf der Straße sitzen lassen?«
    Diesmal war es Jan, der es vorzog, die Frage als nicht gestellt zu betrachten. »Ist dir eigentlich klar, daß wir uns damit eine ganz schöne Laus in den Pelz setzen?«
    »Weil wir sie eine Nacht hier schlafen lassen?« Katrin drehte sich zu ihm herum, lehnte sich in einer aggressiv wirkenden Haltung mit verschränkten Armen gegen den Schrank und blies den Zigarettenrauch durch die Nasenlöcher aus. »Mach dich nicht lächerlich.«
    »Und wer sagt dir, daß sie morgen früh einfach wieder geht? Solche Leute wird man möglicherweise nur sehr schwer wieder los.« Er schüttelte den Kopf, sah kurz zu der Tür hin, hinter der Vera schlief, und schaltete den Fernseher wieder eine Spur lauter,um so einen akustischen Schutzschirm zu schaffen, ehe er fortfuhr: »Ich verstehe dich nicht. Du bist doch diejenige, die immer sagt, daß ich meine Nase nicht ständig in Dinge stecken soll, die mich nichts angehen.«
    »Wenn sie auch so denken würde, dann wärst du jetzt tot«, sagte Katrin.
    »Das bestreitet ja auch niemand«, antwortete Jan. »Aber das ist doch noch lange keine Grund, eine obdachlose Punkerin aufzunehmen.«
    »Eine Punkerin? Nur wegen ihrer Frisur?« Katrin lachte. »Mir gefällt sie. Statt dich über sie aufzuregen, solltest du lieber ein paar Fotos von ihr machen. Vielleicht bringt dich das ja auf andere Gedanken.«

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