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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einfachste seiner gut zwei Dutzend Kameras erwischt hatte, und noch dazu eine, in der sich ein nicht besonders lichtempfindlicher Film befand. Aber ihm blieb keine Zeit, noch einmal zurückzugehen. Was dem Bild an technischer Perfektion fehlte, mußten Motiv und Komposition rüberbringen. Jan gehörte ohnehin nicht zu jener immer größeren Zahl von Fotografen, die mangelndes Talent mit immerausgefeilterer Technik zu kompensieren versuchten. Einige seiner besten Bilder hatte er mit einer billigen Pocket-Kamera geschossen.
    Jan blickte durch den Sucher, verschwendete gut die Hälfte seiner verbliebenen Zeit damit, noch einmal über den richtigen Aufnahmewinkel nachzudenken, und senkte schließlich den Finger auf den Auslöser, wo er blieb, bis das Video zu Ende war und eine Flut bonbonfarbener Lichtblitze aus dem Fernseher brach; acht oder neun Bilder lang, schätzte er. Wenn er Glück hatte, sogar ein Dutzend.
    Mit den Farben änderte sich auch die Musik. Sie wurde nicht nur lauter, sondern der Rhythmus auch stampfender und nun eindeutig aggressiv. Katrin reagierte im Schlaf darauf, indem sie sich auf die andere Seite drehte und leise schmatzte. Jan war äußerst zufrieden. Einfach nur, um den Unterschied zu sehen, machte er noch zwei weitere Fotos, ließ die Kamera sinken und ging, ohne zu zögern, in die Dunkelkammer, in die er das Kinderzimmer in spe umgewandelt hatte.
    Er hatte ein gutes Gefühl. Mehr als ein gutes Gefühl: Er wußte, daß die Bilder großartig geworden waren. Mehr als das. Perfekt. Er würde sie gleich jetzt entwickeln und Katrin die Abzüge morgen beim Frühstück zeigen. Sie wollte doch unbedingt einen Beweis, daß mit ihm wieder alles in bester Ordnung war. Einen besseren Beweis als die phantastischsten Bilder, die er seit Monaten gemacht hatte, konnte er ihr kaum liefern.
    Er überzeugte sich davon, daß das Rotlicht brannte, legte den Riegel vor, den er eigenhändig an die Tür geschraubt hatte, nachdem ihm Katrin gleich zweimal demonstriert hatte, daß rotes Licht für sie nicht nur im Straßenverkehr nur bedingt von irgendeiner Bedeutung war, und öffnete die Kamera. Er war so aufgeregt, daß seine Finger leicht zitterten, und die Zeit, bis der Film entwickelt war und er die Streifen zum Trocknen aufhängen konnte, schien kein Ende zu nehmen.
    Als er die letzte Klemme befestigte, klopfte es an der Tür. »Jan? Bist du da drin?«
    Katrins Stimme klang müde, aber auch ein wenig besorgt. Jan hatte nicht auf die Uhr gesehen, aber es mußte nach Mitternacht sein, und obwohl er sich nicht vorstellen konnte, daß Katrin nach diesem Abend in der Stimmung war, mit ihm zu streiten, war ihm auch gleichzeitig klar, daß er die Bilder in dieser Nacht nicht mehr entwickeln würde. Vielleicht war es auch besser so. Katrin tat sich manchmal etwas schwer damit, für Aktfotos zu posieren. Vor allem, wenn sie nichts davon wußte. Es war vermutlich wirklich besser, wenn er sich erst davon überzeugte, daß die Aufnahmen wirklich so sensationell geworden waren, wie er glaubte, bevor er sie ihr zeigte.
    »Ich komme«, sagte er. Er wusch sich die Hände, warf einen letzten, bedauernden Blick auf die zum Trocknen aufgehängten Negativstreifen und untersagte sich selbst aus einer fast perversen Lust an der Neugier heraus, noch einmal an den Tisch zurückzutreten und einen Blick darauf zu werfen. Es würde eine Qual werden, bis zum nächsten Morgen zu warten, aber wenn er sich die Negative jetzt ansah, dann würde er die Abzüge machen, und wenn der Himmel auf die Erde fiel.
    Katrin hatte einen dünnen Morgenmantel übergeworfen, die Arme um den Oberkörper geschlungen und beide Hände unter die Achseln geschoben, als er aus der Dunkelkammer trat. Es war in der Wohnung eher zu warm als zu kalt, aber Katrin fror so sehr, daß ihre Knie schlotterten.
    »Was machst du hier?« fragte sie. »Weißt du, wie spät es ist?« Sie warf einen mißtrauischen Blick an ihm vorbei in die Dunkelkammer.
    »Nichts.« Jan zog die Tür hinter sich zu, woraufhin sich Katrins Stirnrunzeln noch vertiefte.
    »Nichts? Dafür, daß du nichts tust, verbreitest du eine ziemliche Hektik.«
    »Habe ich dich geweckt?« fragte Jan.
    Katrin gähnte hinter vorgehaltener Hand und schüttelte müde den Kopf. »Nein. Diese verdammte Couch ist einfach zu unbequem, um darauf zu schlafen. Also, was, zum Teufel, tust du hier, mitten in der Nacht?«
    Es war nicht ungewöhnlich, daß er nachts arbeitete. Trotzdem schüttelte er abermals den Kopf und sagte

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