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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Konzentration – und mehr als nur angedeuteter Sorge – nach draußen.
    »Was ist los?« fragte er.
    »Nichts«, antwortete Vera. »Ich dachte nur, ich hätte etwas gehört. Aber ich scheine mich geirrt zu haben.«
    Sie war eine miserable Lügnerin, dachte Jan. Er sah sie noch einen Moment lang durchdringend an, dann wollte er sich wieder abwenden, blickte aber noch einmal auf die Straße hinab. Unmittelbar vor dem Haus parkte ein dunkelgrüner Audi, der genau in diesem Moment den Blinker setzte und ausscherte.
    Direkt auf die Gegenfahrbahn hinaus und damit in den Weg eines weißen Kleintransporters. Jan beobachtete mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Entsetzen, wie der Audi weiter in spitzem Winkel auf den Transporter zuhielt, dessen Fahrer eine kostbare Sekunde damit verschwendete, wütend auf die Hupe zu drücken, bevor er endlich auf die Idee kam, zu bremsen und gleichzeitig auszuweichen.
    Es war zu spät. Jan sah den Zusammenstoß kommen, und in dem Bruchteil einer Sekunde, die zwischen diesem Erkennen und dem eigentlichen Zusammenprall erfolgte, empfand er ein Gefühl so vollkommener Hilflosigkeit, daß er beinahe aufgestöhnt hätte.
    Die beiden Fahrzeuge bohrten sich mit einem dumpfen Geräusch ineinander, das vollkommen anders klang, als er erwartet hätte. Harmloser. Falsch. Ein Laut, als schlüge eine geballte Faust mit großer Kraft auf einen leeren Pappkarton. Der Audi kam mit einer Plötzlichkeit zum Stehen, die nicht nur die Airbags auslösen, sondern dem Fahrer auch sämtliche Knochen im Leib durchschütteln mußte, und der Transporter schlitterte ein Stück zur Seite, spie einen Hagel winziger rechteckiger Glassplitter auf die Straße und drohte für einen kurzen Moment umzukippen. Trotz der großen Entfernung und des ungünstigen Blickwinkels konnte Jan erkennen, wie die Gestalt hinter der Windschutzscheibe gegen das Lenkrad geschleudert wurde und dann dahinter zusammenbrach.
    Jan war mit einem Satz am Telefon, wählte die Notrufnummer und meldete den Unfall. Keine zehn Sekunden später waren Vera und er auf dem Weg nach unten.
    Trotzdem hatte sich bereits eine kleine Menschenmenge auf der Straße versammelt, als sie aus dem Haus stürmten. Nur ein einziger beherzter Mann war allerdings an den Transporter herangetreten und versuchte, sich um den Fahrer zu kümmern, der Rest stand einfach nur da und gaffte. Jan schwenkte mitten im Schritt herum, lief auf den Audi zu und riß eine oder zwei Sekunden lang vergeblich an der Fahrertür. Sie schien sich verklemmt zu haben und gab nicht nach.
    Der Unfall schien schlimmer gewesen zu sein, als es den Anschein gehabt hatte. Die gesamte Frontpartie des Audi war eingedrückt und, ganz wie Jan erwartet hatte, hatten sich die Airbags aufgeblasen, so daß der Fahrer hilflos auf dem Sitz eingeklemmt war.
    Jan hörte auf, vergeblich am Türgriff herumzuzerren, und eilte um den Wagen herum, um sein Glück auf der anderen Seite zu versuchen.
    Offensichtlich war Vera vor ihm auf die gleiche Idee gekommen, mühte sich aber unsinnigerweise mit der hinteren Tür ab. Sie ließ sich jedoch ebenfalls nicht öffnen, und schließlich begriff Jan, was wirklich passiert war: Der Unfall hatte zu einer Fehlfunktion in der Zentralverriegelung des Wagens geführt. Er konnte an der Tür herumreißen, bis er schwarz wurde.
    »Ich brauche ein Brecheisen!« rief er. »Einen Stein – irgendwas. Hat jemand ein Werkzeug?«
    Natürlich hatte niemand etwas. Das Dutzend Gaffer, das sich mittlerweile ringsum versammelt hatte, starrte jetzt nur ihn an, und auch Vera war einen Schritt zurückgetreten und blickte stirnrunzelnd in den Wagen. Ihr Gesichtsausdruck war … seltsam, aber Jan hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er brauchte etwas, um die Scheibe einzuschlagen. Der Mann hinter dem Steuer rührte sich nicht. Vielleicht hatte der Airbag ihn bewußtlos geschlagen – Jan hatte gehört, daß sich die Dinger mit einer Wucht aufbliesen, die dem Fausthiebeines Profiboxers nahekam –, aber vielleicht war der Mann auch schwer verletzt und brauchte dringend Hilfe.
    Jan sah sich fast verzweifelt um, rannte schließlich auf den Transporter zu und warf einen Blick auf die Ladefläche. Sie war voller Holz und anderer Baumaterialien, die jetzt in einem heillosen Chaos durcheinander lagen. Jan griff sich ein massiv aussehendes Brett, eilte wieder zu dem Audi zurück und holte aus, um das hintere Fenster einzuschlagen.
    »Nein!« Vera fiel ihm mit einer so hastigen Bewegung in den Arm,

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