Dunkel ist die Sonne
Weile wieder.
„Ich möchte es einmal so ausdrücken: Wißt ihr noch, wie wir mit dem anderen Tharakorm die Bruchlandung gemacht haben? Wir flogen nur etwa fünfzig Meilen pro Stunde; jetzt sind wir doppelt so schnell. Wenn wir jetzt landeten, würden wir sterben. Dem Tharakorm würde es wahrscheinlich nichts ausmachen, uns aber würde es zerschmettern. Eine Landung kommt im Moment also nicht in Frage.“
„Aber der Sturm kann noch eine ganze Weile dauern!“ sagte Vana. „Wenn wir landen können, sind wir vielleicht mehr als tausend Meilen von unserer Heimat entfernt!“
„Mehr als dreitausend Meilen“, korrigierte Sloosh. „Es könnten sogar sechstausend oder zehntausend sein, wer weiß?“
Sie waren entsetzt. Vana und Deyv liefen die Tränen über die Wangen. Der Yawtl weinte nicht, hätte es aber wahrscheinlich auch gern getan. Jum und Aejip wußten nicht, was der Grund für den Schmerz der anderen war, aber der Hund winselte und leckte Vana über das Bein. Vielleicht glaubten sie, daß ihre Herren sich vor dem heraufziehenden Unwetter fürchteten.
Nach einer Weile zwang sie der Donner und das blendende Weiß der Blitze unter Deck. Deyv hatte überlegt, daß man Feersh genausogut jetzt verhören konnte, war aber zu dem Schluß gekommen, daß es praktisch unmöglich war, denn es war viel zu laut. Jedes Mal, wenn in der Nähe ein Blitz einschlug, fuhr er zusammen. Er würde sich während des Gewitters nicht genügend auf die Vernehmung konzentrieren können.
Trotzdem bedauerte er sehr, Feersh nicht dazu bringen zu können, ihm den Aufenthaltsort seines Seeleneies zu verraten. Es jetzt in der Hand zu spüren, es zu streicheln, an die Brust zu drücken und zu küssen wäre so wohltuend gewesen. Es hatte etwas Tröstliches an sich, und wenn er alle seine Gedanken auf das Ei konzentrierte, würden ihm Donner und Blitz weit entfernt und ungefährlich vorkommen. In diesem Moment haßte er die Hexe mehr als je zuvor. Wenn das Unwetter vorüber war, würde er sie zwingen, ihm das Versteck zu verraten, selbst wenn er sie dafür auseinandernehmen müßte.
Er kauerte sich in einem der inneren Räume hin, wo die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, laut Sloosh geringer war. Den Arm hatte er um den Hund gelegt, der sich eng an ihn anschmiegte. Vana drückte die Katze an sich. Sloosh stand mit geschlossenen Augen in einer Ecke. Es war möglich, daß er schlief; genausogut konnte es aber auch sein, daß er gerade über etwas nachdachte, was den Angelegenheiten der Menschen oder selbst seinen eigenen sehr fern lag. Der Yawtl war nervös, aber er hatte niemanden, an den er sich hätte klammern können. Daher hatte er sich wie ein Embryo hingesetzt. Die Knie hatte er an die Brust gedrückt, die Arme um die Knie gelegt und den Kopf auf sie hinuntergebeugt. Jedes Mal, wenn ein Blitz die Luft zerriß, fuhr er zusammen, als sei er eben im Mutterleib erwacht und müsse sich für die Geburt bereithalten.
Ab und zu gelang es Deyv sogar einzuschlafen, allerdings nur, um nach jeder weiteren ohrenbetäubenden und die Nacht schlagartig erhellenden Entladung zitternd wieder aufzuwachen. Er aß auch ab und zu, und wenn er seine Notdurft zu verrichten hatte, ging er gewöhnlich in den Raum, in dem die Hexe eingesperrt war. Die anderen taten das gleiche, um sie moralisch zu erniedrigen. Keiner der Gefangenen bekam etwas zu essen, wohl aber Wasser. Wenn sie vom Hunger geschwächt wurden, um so besser – dann würden sie der Untersuchung weniger Widerstand entgegensetzen. Und wenn sie im eigenen Kot liegen mußten, würden sie sich dadurch nur noch elender fühlen.
Nachdem eine fast unerträgliche lange Zeitspanne verstrichen war, ging der schwarze Donner mit seinen weißen Schwestern wieder von dannen. Ein Blick vom oberen Deck bewies, daß der Wind noch genauso stark wie vorher blies. Außerdem waren sie gerade über einer besonders gebirgigen Gegend, und das Tharakorm sackte immer, wenn es in einen Fallstrom geriet, plötzlich ab oder schoß ebenso plötzlich nach oben, so daß sie für einen Augenblick das Gefühl hatten, in der Luft zu hängen. Dann mußten sie wieder in ihren Raum zurückgehen und sich hinlegen.
Sloosh, der es eigentlich besser hätte wissen müssen, bestand darauf, den anderen mitzuteilen, was ihnen alles zustoßen konnte.
„Die Fallwinde könnten uns auf die Erde nach unten reißen. Die Aufwinde könnten uns so stark nach oben reißen, daß wir das Bewußtsein verlieren oder an
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