Dunkel ist die Sonne
müßtest du bemerkt haben, daß sie einen starken und anpassungsfähigen Charakter hat. Seht sie an, sie, die einst der unumschränkte Herr über ihre unmittelbare Umgebung war, die einst auf ihren Tharakorm nicht einmal zu gehen brauchte, wenn sie keine Lust dazu ha t te, sondern sich von ihren Sklaven tragen lassen konnte. Doch seit ihr Leben sich geändert hat und auf eine nie d rigere Stufe als das ihrer Sklaven abgesunken ist, seitdem hat sie ihr Bestes getan, um mit den Veränderungen fe r tigzuwerden. Nach dem, was ich bei den Menschen be o bachtet habe, wären viele in ihrer Lage zusammengebr o chen, einfach gestorben oder zu Parasiten geworden. Bei ihr geschah nichts von alledem. Sie hat ihr Bestes getan, um zu überleben und sich nützlich zu machen.“
„Na und?“ gab Hoozisst zurück. „Sie mag vielleicht einen vortrefflichen Charakter haben, auch wenn ich da nicht zustimmen würde. Aber was sie für uns tun kann ist doch, was zählt. Ich sage, daß sie eine Behinderung, eine Bürde, eine schwere Belastung ist.“
Deyv entgegnete darauf: „Wenn du schwer verwundet und für länger von keinem Nutzen wärst, ja es uns Zeit und Mühe kosten, sogar in Gefahr bringen würde, dich am Leben zu halten, würdest du dann wollen, daß wir dich allein zurücklassen oder töten?“
„Aber ihr wüßtet dann auch, daß ich, wenn ich erst wieder gesund wäre, von höchstem Wert für euch sein würde“, sagte der Yawtl.
Sloosh mußte wohl zu der Überzeugung gekommen sein, daß die niederen Geschöpfe mittlerweile genug g e sprochen hätten. Er sagte: „Du haßt Feersh, weil sie einst über dich herrschte und du es nicht wagtest, dich gegen sie aufzulehnen. Sie beraubte dich auch deines Seelene i es, welches du nun wieder hast, und sie versuchte, dich zu töten. Aber wenn du an ihrer Stelle gewesen wärst, hättest du das gleiche getan. Also, wieso bist du in dieser Beziehung anders?
Der Unterschied besteht darin, daß du, wenn du blind und deines hohen Ranges beraubt worden wärst, dich nicht so gut angepaßt hättest. Wenn du dich schon in de i ner gegenwärtigen Lage so sehr beklagst, nach Rache schreist, was hättest du dann erst an ihrer Stelle getan?“
„Wir reden hier nicht über Möglichkeiten“, sagte der Yawtl, „wir reden über Tatsachen!“
„Es gibt Dinge, die nicht eigentlich wirklich sind“, entgegnete der Archkerri. „Sie scheinen nur wie Tats a chen, weil das Individuum meint, daß sie es sein müßten. Für das Individuum selbst müssen sie es sein. Aber ich möchte dich etwas fragen. Hast du überhaupt nicht die Fähigkeit, dich in ihre Lage zu versetzen?“
„Das Scheusal!“ erwiderte Hoozisst nur.
Sloosh hob die Hände und sagte: „O Shemibob, sprich du mit ihm.“
„Das wäre sinnlos“, sagte die Shemibob. „Ich glaube jedoch, daß die Menschen genug für sie gesprochen h a ben, wenn auch nur von einem utilitaristischen Stan d punkt aus. Sie besitzen aber zweifellos ein gewisses Ei n fühlungsvermögen. Obwohl die Einfühlung auch gefäh r lich sein kann, wenn sie nämlich zur falschen Haltung gegenüber der Wirklichkeit führt.
Die Grundfrage hier ist jedoch in der Tat die der Nüt z lichkeit. Daher lasse ich die anderen Aspekte einmal be i seite und sage, daß Feersh für uns von großem Nutzen war, ist und möglicherweise auch bleibt. Darum sage ich ferner, daß sie weiterhin mit uns gehen wird.“
Deyv und Vana hatten eigentlich erwartet, daß das Schicksal der Hexe zur Abstimmung gebracht würde. Anscheinend hatte die Shemibob dies überhaupt nicht in Betracht gezogen. Aber sie hatte wenigstens nach ihrer Meinung gefragt. Außerdem hatte sie, davon waren sie überzeugt, auf irgendeine unausgesprochene Weise auch über sie selbst geurteilt. Sie waren sich nicht sicher, aber sie glaubten, daß sie besser abgeschnitten hatten als der Yawtl.
Und doch konnten sie auch Hoozisst verstehen.
Vana jedoch drückte den Sachverhalt vorzüglich aus, fand Deyv, als sie sagte: „Unser Kind trägt auch nichts zum Allgemeinwohl bei, und es ist eindeutig eine schw e re Last. Wieso hat Hoozisst nicht verlangt, daß Drossel zurückbleibt?“
40
Die Dunkelheit, die das Schwarze Tier verbreitete, hatte noch nicht ganz den Höhepunkt erreicht, als Phemropit und seine Reiter einen Berg umrundeten. Unter ihnen war ein Tal. Zwei Täler, genaugenommen, denn in der Mitte des ersten war noch ein zweites, kleineres. Aus dem Tintenschwarz des ersteren erhob sich das Haus der
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