Dunkel ist die Sonne
Schwebenden Gebilde. Es war eine unbestimmte Masse, die etwas Unermeßliches andeutete, aus dem eine schwacherleuchtete Säule oder ein Turm aufstieg. Der obere Teil war weniger dunkel und trug wegen des durch einen Einschnitt in der gegenüberliegenden Bergkette strömenden Lichts einen hellen Kranz.
Sie sagten für eine Weile nichts, sondern starrten nur durch die Dunkelheit und versuchten in dem Bau unter der Säule etwas zu erkennen. Der Wind hatte sich gelegt; nicht ein Ton war mehr zu hören. Seit sie die Grenze zu dem Toten Ort überschritten hatten, war die ganze Zeit über das einzige Geräusch das gewesen, das sie selbst verursachten oder, manchmal, ein Seufzen oder Heulen des Windes in merkwürdigen Steinen oder der Donner bei einem Unwetter und das Plätschern des Regens. Sie hatten keine einzige lebende Kreatur gesehen – weder Pflanzen noch Insekten noch Vögel noch andere Tiere. Selbst die Steine wirkten leblos im Vergleich zu denen außerhalb des Gebietes. Irgendwie machten sie den Ei n druck, als habe irgend etwas ihr steinernes Inneres ausg e trocknet oder ausgesaugt.
Doch mußte auch ein krankes Ding immer noch am Leben sein. Oft gelangten sie an einen kleinen Felsen, einen großen Felsblock oder einen Berghang, an denen einzelne Schichten infiziert zu sein schienen. Aus unr e gelmäßig geformten Flecken sickerte langsam eine übe l riechende, trübe Flüssigkeit, die frappierende Ähnlichkeit mit Eiter besaß. Sie hatten an den feuchten Flecken g e kratzt, da sie es für eine Art Flechte gehalten und gedacht hatten, daß der Tote Ort daher doch nicht ganz tot sein konnte. Aber sie stießen nur auf Gesteinspartikel, die aus irgendeinem Grunde dunkler als die Hauptmasse des Fe l sens war.
Nun, nach einer langen Reise, bei der sie häufig U m wege hatten machen müssen wegen der vielen Steilhä n ge, die Phemropit nicht erklimmen konnte, und der vielen Pässe, die sie sich suchen mußten , waren sie fast am Ziel.
Vana fröstelte und brach das furchtbare Schweigen. „Ich wünschte, wir wären auf der Straße geblieben, die uns nach Hause geführt hätte, Deyv.“
Ihm ging es ebenso, aber er sagte nur: „Das hier ist der kälteste Ort, den ich je gesehen habe.“
Die Shemibob schwebte von Phemropits Rücken he r unter und machte ein Zeichen, daß es den Abstieg begi n nen sollte. Nach einer Weile wurde es so steil, daß auch die anderen abstiegen. Sie blieben aber hinter Phemropit, damit sie, falls es ins Rutschen geriet, nicht von ihm e r drückt würden. Bei Einbruch der Ruhezeit hatten sie die Talsohle jedoch wohlbehalten erreicht.
Genau in diesem Moment wurden sie durch einen g e waltigen Lärm aufgeschreckt, einem dröhnenden, meta l lischen Klang gleich jenem, dem der riesige Bronzegong im Schloß der Shemibob von sich gab, wenn man mit einem Hammer daraufschlug. Das Echo hallte im ganzen Tal wider. Sie fröstelten und griffen sich ans Herz.
Als nur noch das schwere Atmen und das Rauschen des Blutes in den Ohren zu hören war, sprach Sloosh. Das Summen schien ihnen beinahe frevelhaft; etwas war an dem Ort. das vielleicht etwas dagegen hätte haben können. So schien es Deyv in dem Moment jedenfalls. Etwas war da, davon war er überzeugt, das dort vor sich hinbrütete und nicht gestört werden wollte.
Sloosh sagte also: „Ob es hier wohl ein Alarmsystem gibt? Vielleicht gibt es irgendwo Detektoren, die das Warnzeichen ausgelöst haben, als wir ihr Gebiet betr a ten.“
„Um wen zu warnen?“ flüsterte Deyv.
Da begann das Baby zu schreien. Vana versuchte, es zu beruhigen, aber es wollte nicht aufhören zu schreien, bis sie ihm die Brust gegeben hatte. Deyv wollte gerade fragen, ob sie das Lager aufschlagen oder weiterziehen sollten. Da hallte ein zweiter gewaltiger Ton durch das Tal, und das Echo lief um die Berge. Das Baby hörte auf zu trinken, um wieder zu kreischen. Wieso es sich nicht beim ersten Ertönen des „Gongs“ erschreckt hatte, wußte niemand. Vielleicht war seine Angst zu groß gewesen, um ihr Ausdruck zu geben. Oder es war nur halb wach gewesen.
Das Echo erstarb; Drossel schrie weiter. Vana stre i chelte ihn, sagte etwas Beruhigendes und brachte ihn schließlich dazu weiterzutrinken. Kurz nachdem wieder Stille eingekehrt war, wurde sie abermals durch ein m e tallisches Getöse gebrochen.
Die Shemibob meinte: „Ich habe einundzwanzig S e kunden zwischen den einzelnen Tönen gezählt.“
Der Yawtl sagte darauf: „Ja, und?“ Aber als das vierte Getöse von
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