Dunkel ist die Sonne
„Meinst du, daß das hier der Ort ist, mir von Sindsindbats Theorie zu erzählen – wer immer das sein mag?“
„Das ist mein Großvater mütterlicherseits, aber meine Urgroßmutter väterlicherseits“, antwortete Sloosh. „Zweifellos einer der größten, wenn auch ein wenig lab i len Geister der Archkerri. Es ist seine …“
„Sei still!“ sagte Deyv. „Dein eigener Geist kann wohl nicht allzu stabil sein, wenn du ausgerechnet jetzt a n fängst, irgendwelchen überflüssigen Blödsinn zu erzä h len über Sterne, die fallen, nur weil die Leute auf i r gendwas sauer sind. Wir sind hier …“
„,Überflüssiger Blödsinn’ ist eine Redundanz“, unte r brach Sloosh. „Jeder Blödsinn ist überflüssig.“
„Das beweist nur, wie wenig du über die Menschen weißt“, stellte Deyv fest. „Aber jetzt sei bitte ruhig! Hier geht doch jedes Geräusch sofort nach oben. Was ist, wenn da oben jemand wach ist?“
„Richtig. Aber meine Bemerkung kam daher, weil ich dich und Vana kürzlich darüber streiten hörte, ob Frauen für einen bestimmten Zeitraum nach der Niederkunft oder Menstruation als tabu beziehungsweise unrein ge l ten sollten. Sie behauptete …“
„Jetzt halt doch endlich den Mund! Willst du, daß man uns umbringt?“
„Nun, eure Auseinandersetzung brachte mich auf das Problem des Ärgers und …“
Deyv gelang es, sich soweit zu strecken, daß er dem Pflanzenmenschen mit einer Hand den Schnabel zuhalten konnte.
„Jetzt sei aber ruhig! Oder ich schneide dir mit me i nem Schwert den Summer ab!“
Sloosh sagte danach nichts mehr. Er kletterte weiter, und nach einer Zeit, die ihnen sehr lang erschienen und es vielleicht auch gewesen war, stiegen sie durch den Schacht in der Mitte des mittleren Tharakorm. Das Kabel war um eine gewaltige Ankerwinde geschlungen, die sich etwa drei Meter über dem Abschluß des Schachtes b e fand. An der Kante zur Rechten war eine kleinere Winde, die zum Hinunter- oder Hinaufziehen der Leiter benutzt wurde.
Deyv sah sich rasch um. Niemand war in Sicht, o b wohl das auf Grund der schwachen Beleuchtung nicht heißen mußte, daß niemand an Deck der beiden Thar a korm war, die an das mittlere angrenzten.
Es war jedoch gut, daß niemand in der Nähe war. Aber trotzdem hatten sie ein Problem. Sloosh konnte nicht h ö hersteigen als bis zu der Stelle, an der das Kabel von der Trommel der Ankerwinde ablief. Es war nichts da, woran er sich weiterhin hätte festhalten können. Das Kabel war zu straff um die Trommel gewickelt.
Deyv hätte vielleicht an Sloosh hochklettern und von dessen Schultern aus seine Finger um das Kabel legen und sich auf diese Weise emporziehen können – das aber war ausgeschlossen. Eine Berührung seinerseits, und der Alarm wäre losgegangen.
Die Leiter war nicht ganz um die Ankerwinde gewi c kelt. Ungefähr drei Meter hingen bis über die Kante he r unter. Deyv erklärte, was er zu tun hatte. Der Archkerri erwiderte nichts, aber er dachte mit Sicherheit daran, was geschehen würde, wenn Deyv scheiterte. Möglicherweise hätte er ihn auch gern gebeten, nicht zu schreien, falls er wirklich abstürzte. Vielleicht rechnete er aber auch aus, wie lange es dauern würde, bis Deyv unten aufschlug. Wer konnte wissen, was in dem Gehirn unter den Koh l blättern vor sich ging?
Deyv dachte flüchtig daran, was Vana wohl denken würde, wenn sein Körper durch die Dunkelheit geflogen käme und vor ihrer Nase hinknallte. Eine seltsame Vo r stellung, dachte er noch flüchtiger. Was kümmerte sie das überhaupt?
Vielleicht würde er ja auch auf den Yawtl stürzen. Obwohl er Hoozisst nicht getötet hatte, was eigentlich seine Absicht gewesen war, und obwohl er ihn wie einen Kameraden behandelt hatte, was er in gewissem Sinne ja auch war, ärgerte er sich immer noch darüber, daß der Yawtl ihm sein Ei gestohlen hatte. Wenn er, Deyv, auf Hoozisst hinabstürzte, würde der Dieb wenigstens auch sterben. In dieser Vorstellung lag etwas wie Befried i gung, wenn sie auch nicht groß war.
Deyv hätte Sloosh gern gefragt, ob er immer noch richtigen Halt hatte, denn er brauchte etwas zur Beruh i gung. Es war jedoch nicht weiter wichtig. Er mußte jetzt handeln, ganz gleich wie die Lage war.
Deyv umklammerte den unteren Leib des Archkerri mit den Beinen und löste das an seiner Taille befestigte Seil. Dann glitt er langsam an dem Seil hinunter, bis er nur noch wenige Zentimeter von dem Dreifachkabel en t fernt war, und als er sich etwa einen Meter unterhalb
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