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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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wie zuvor. Statt dessen wirkte er noch entschlossener. Auf seine Stirn traten Schweißperlen.
    »Seid grob, beleidigt Raj Ahten, so gut Ihr könnt. Sagt ihm, ich hätte Longmot eingenommen. Als Beweis meiner Tat erklärt ihm, ich hätte seine Übereigner dort im Morgengrauen umgebracht…«
    Borenson schluckte.
    »Sorgt dafür, daß er glaubt, ich hätte vierzigtausend Zwingeisen in meinen Besitz gebracht und eine gute Verwendung für sie gefunden. Erklärt ihm, ich sei bereit, ihm… fünftausend davon wieder zu verkaufen. Teilt ihm mit, er kenne den Preis.«
    »Der wäre?« fragte Borenson.
    »Nennt ihn nicht«, antwortete Mendellas. »Wenn er meinen Sohn hat, wird er ihn mir anbieten. Wenn er meinen Sohn nicht hat, dann wird er denken, Ihr sprecht von Lord Sylvarrestas Familie, und wird den König anbieten. Ganz gleich, welche Geisel angeboten wird, prüft deren Zustand, bevor Ihr aufbrecht. Stellt fest, ob Raj Ahten Gaborn – oder Lord Sylvarresta – gezwungen hat, eine Gabe abzutreten.
    Vermutlich wird er die königliche Familie als Vektoren für die Hauptgaben benutzen. In fünfzehn Stunden könnte er dann leicht Hunderte solcher Gaben entgegennehmen. Wenn dem so ist, wißt Ihr, was Ihr zu tun habt.«
    »Verzeihung…« fragte Borenson.
    »Ihr habt richtig gehört. Ihr wißt, was Ihr zu tun habt.«
    Borenson lachte, fast wie ein Hüsteln, doch da war kein Lächeln mehr in seinem Gesicht, kein vergnügtes Funkeln mehr in seinen Augen. Sein Gesicht war hart geworden, teilnahmslos, und seine Stimme hatte einen ungläubigen Unterton. »Ihr wollt, daß ich König Sylvarresta töte, oder gar Euren Sohn?«
    Oben stieß einer der Graaks einen Ruf aus und segelte tief vorbei. Es hatte eine Zeit in Mendellas’ Leben gegeben, als er so klein war, da er eines dieser riesigen Reptilien reiten konnte. Als Junge von sechs Jahren, mit einem Gewicht von fünfzig Pfund, hatte sein Vater ihn zusammen mit anderen Himmelsstürmern weite Reisen auf den Rücken zahmer Graaks machen lassen. Nur Jungen mit Gaben der Muskelkraft, des Verstandes, des Durchhaltevermögens und der Anmut waren für solche Reisen geeignet.
    Als sein Sohn ein Himmelsstürmer geworden war, hatte er ihn trotzdem niemals eine weite Reise machen lassen, um Botschaften zu überbringen. Er war zu sehr darauf bedacht, seinen Sohn zu behüten. Er liebte den Jungen zu sehr. Er hatte gehofft, der Junge hätte Zeit, aufzuwachsen, ein wenig Reife zu erlangen – ein Vorteil, der unter Runenlords nur allzu selten war, denn notwendigerweise waren sie gezwungen, Gaben des Stoffwechsels zu übernehmen und lange vor ihrer Zeit zu altern.
    Es gab noch immer einiges, das König Orden seinem Sohn beibringen mußte – die Kunst der Diplomatie, der Strategie und Intrige –, das man nicht im Haus des Verstehens lernen konnte.
    Zudem war sein eigener Vater gefangengenommen worden, als Orden noch ein kleiner Junge war, und anschließend gezwungen worden, einem Wolflord aus der Ödnis im Süden Gaben abzutreten. Freunde hatten seinen Vater vor diesem Schicksal bewahrt – mit dem Schwert, Borenson konnte nicht wissen, wie sehr es schmerzte, diesen Befehl zu erteilen. König Orden war entschlossen, daß seine Männer es nie erfahren sollten. Gaborn hatte wegen seines weichen Herzens den Tod verdient.
    Mendellas klopfte dem Krieger verständnisvoll auf die Schulter. Borenson zitterte. Es war hart, sich von Gaborns geschworenem Beschützer in seinen Meuchelmörder zu verwandeln. »Ihr habt mich richtig verstanden. Wenn Raj Ahten Eure Nachricht erhält, wird er sofort nach Longmot eilen, um mich in einer Schlacht zu stellen. Er wird bei Sonnenaufgang Hunderte von Übereignern in Burg Sylvarresta haben – Übereigner, die er in so großer Hast nicht nach Süden schaffen kann, Übereigner, die er nicht ausreichend bewachen kann. Ich will, daß Ihr, sobald Raj Ahten aufgebrochen ist, auf Sylvarresta in den Bergfried der Übereigner geht und alle erschlagt, die dort zurückgelassen wurden.«
    Mittlerweile war das Lächeln des hochgewachsenen Kriegers vollends erloschen. »Ihr seht doch ein, daß es getan werden muß? Gut möglich, daß mein Leben, Euer Leben, das Leben aller in Mystarria – all derer, die Ihr kennt und liebt – davon abhängt. Wir dürfen keine Schwäche zeigen. Wir können uns keine Barmherzigkeit erlauben!«
    Aus einem Beutel an seiner Hüfte zog König Orden ein kleines Elfenbeinfläschchen hervor. Darin waren die Nebel von den Feldern Mystarrias eingefangen.

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