Dunkel ueber Longmont
versiegen. Es gibt viele Menschen, die Euch dienen oder sich selbst in Eurem Interesse, Raj Ahten.
Gebt Euch mit ihnen zufrieden!«
Iome staunte über Binnesmans Worte. Er log, das wußte sie.
Er diente eher den Menschen als den Tieren. Einmal hatte er ihr erklärt, dies sei seine Schwäche, diese eigenartige Liebe zu den Menschen. In seinen Augen machte ihn das seines Meistertitels unwürdig. Iome befürchtete, Raj Ahten könnte die Lügen durchschauen und den Zauberer bestrafen.
Raj Ahten sah starren Blickes auf ihn hinab. Das makellose Gesicht des Wolflords war ungetrübt, und Iome kam es so vor, als sei es voller Freundlichkeit.
Binnesman sagte leise: »Wißt Ihr, als Runenlord müßt Ihr Euch um Eure Übereigner kümmern, sonst verhungern sie mit der Zeit oder werden krank. Wenn sie sterben, verliert Ihr die Kraft, die Ihr aus ihnen zieht. Das gleiche Prinzip gilt auch für mich… oder für Eure Flammenweber. Seht Ihr, wie sie das Feuer schüren, weil sie wissen, daß sie im Gegenzug Kraft daraus gewinnen?«
»Mein Lord«, sagte die Flammenweberin neben Raj Ahten leise, »erlaubt, daß ich ihn töte. Die Flammen zeigen, daß er eine Gefahr darstellt. Er hat Prinz Orden geholfen, aus seinem Garten zu fliehen. Er unterstützt Eure Feinde. Das Licht in seinem Innern ist gegen Euch.«
Raj Ahten berührte die Hand der Flammenweberin, beruhigte sie und fragte: »Ist das wahr? Habt Ihr dem Prinz zur Flucht verholfen?«
Antwortet ihm nicht, wollte Iome rufen. Antwortet nicht.
Doch Binnesman zuckte nur die Achseln. »Er war verwundet.
Ich habe die Wunde versorgt, wie ich es bei jedem Kaninchen oder einer Krähe gemacht hätte. Dann habe ich ihm den Weg in den Dunnwald gezeigt, damit er sich verstecken kann.«
»Weshalb?« fragte Raj Ahten.
»Weil Eure Soldaten ihn töten wollten«, erwiderte der Kräutersammler. »Ich diene dem Leben, so wie Ihr zweifellos dem Tod dient.«
»Ich diene nicht dem Tod. Ich diene der Menschheit«, sagte Raj Ahten ruhig. Er kniff kaum merklich die Augen zusammen, doch sein Gesicht wirkte plötzlich härter, leidenschaftsloser.
»Feuer verzehrt«, erklärte Binnesman. »Wenn Ihr Euch mit so vielen Flammenwebern umgebt, spürt Ihr sicher diesen Sog, ihr Verlangen, zu vernichten. Es hat Euch in seiner Gewalt.«
Raj Ahten lehnte sich gelangweilt zurück. »Feuer erhellt auch und enthüllt«, meinte er. »Es wärmt uns in kalter Nacht. In den richtigen Händen kann es ein Werkzeug des Guten sein, sogar der Heilkunst. Die Hellen und die Glorien sind Geschöpfe der Flamme. Das Leben stammt ebenso aus dem Feuer wie aus der Erde.«
»Ja, es kann ein Werkzeug des Guten sein. Aber nicht jetzt.
Nicht in der Zeit, die kommt. Ganz sicher werden keine Wesen des helleren Lichts erscheinen und tun, was Ihr verlangt«, widersprach Binnesman. »Ich glaube, Ihr tätet besser daran, Euch von diesen… Kräften loszusagen. Andere Magier würden Euch besser dienen.« Er deutete mit einer beiläufigen Handbewegung auf die Flammenweber.
»Ihr werdet mir also dienen?« fragte Raj Ahten. »Ihr werdet meine Armeen mit Kräutern und Salben versorgen?« Er lächelte, und das Lächeln schien den Raum zu erhellen.
Binnesman wird ihm sicher helfen, dachte Iome.
»Kräuter für die Kranken und die Verwundeten?« fragte Binnesman. »Das kann ich guten Gewissens tun. Aber ich werde Euch nicht dienen.«
Raj Ahten nickte sichtlich enttäuscht. Binnesmans Ergebenheit wäre ihm von großem Nutzen gewesen.
»Mein Lord«, zischte die Flammenweberin und blickte von der Kohlenpfanne zu Raj Ahten, »er spricht nicht die Wahrheit! Er dient sehr wohl einem König! Ich sehe einen Mann in meinen Flammen, einen gesichtslosen Mann mit einer Krone! Ein König kommt, ein König, der Euch vernichten kann!«
Raj Ahten betrachtete den Kräutersammler aufmerksam, beugte sich wieder vor, während die grünen Flammen aus der Kohlenpfanne
über
sein
Gesicht spielten. »Meine Feuerdeuterin sieht eine Vision in den Flammen«, sagte er leise. »Verratet mir, Binnesman, hat die Erde Euch auch solche Einblicke gewährt? Gibt es einen König, der mich vernichten kann?«
Binnesman richtete sich auf, so gut es mit den Ketten ging, und verschränkte die Arme. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Ich bin kein Freund der Zeitlords und kenne die Zukunft nicht. Ich blicke nicht in polierte Steine. Aber Ihr habt Euch viele Feinde gemacht.«
»Aber es gibt einen König, dem Ihr dient?«
Binnesman stand lange da, in Gedanken
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