Dunkel ueber Longmont
was haben diese Eide zu bedeuten?« fragte Raj Ahten.
»Löst Euch von den Flammenwebern, die die Erde vernichten wollen. Achtet das Leben – alles Leben, das pflanzliche und das tierische. Eßt von den Pflanzen, ohne sie zu zerstören, jagt nur die Tiere, die Ihr braucht. Vernichtet kein Geschöpf sinnlos, sei es ein Tier oder ein Mensch. Zieht Eure Armeen aus diesem Krieg zurück, den Ihr angezettelt habt. An Euren südlichen Grenzen stehen Greifer. Ihnen solltet Ihr Euch entgegenstellen.«
Raj Ahten saß eine ganze Weile auf dem Thron und starrte Binnesman nur an. In diesem Augenblick kam ein Diener mit einer neuen Laterne aus dem Vorraum hereingeeilt, deren Licht auf das Gesicht des Wolflords fiel. Er wirkte nachdenklich.
Iome konnte das Verlangen in Raj Ahtens Augen sehen, und fast glaubte sie, er werde den Eid leisten.
Doch als der Diener mit der Laterne näherkam, erschien es Iome, als flackerte seine Entschlossenheit wie das Züngeln des Feuers. »Ich schwöre, die Menschheit vor den Greifern zu beschützen – zu ihrem Wohl«, sagte Raj Ahten. »Ich… tue nur, was ich tun muß…!«
»Ihr tut nichts dergleichen!« schrie Binnesman. »Hört Euch doch an: Ihr habt so viele Gaben der Stimme übernommen, daß Ihr Euch beim Sprechen selbst von Euren eigenen wahnsinnigen Argumenten überzeugt. Ihr täuscht Euch selbst!«
Iomes Herz klopfte, denn plötzlich erkannte sie, daß der Kräutersammler recht hatte. Raj Ahten ließ sich vom Klang seiner eigenen Stimme beeinflussen. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, daß so etwas möglich war.
Binnesman rief: »Aber – noch ist Zeit, sich zu besinnen – noch! Legt diese wahnsinnigen Vorstellungen ab. Wagt nicht, diese Menschen zu berauben und Euch selber gut zu nennen!«
Er machte kehrt und verließ gemächlich den Raum, wirkte dabei in jeder Hinsicht wie ein alter und gebeugter Mann.
Dennoch verriet sein Gang keine Furcht, ganz so, als hätte er das Verhör geführt, überlegte Iome, und als hätte er Raj Ahten in Ketten in diesen Raum geschleift.
Damit war er fort.
Iome sah es mit Erstaunen, denn niemand sonst hatte sich an diesem Abend einfach so entschieden, sich aus Raj Ahtens Gegenwart zu entfernen, und sie befürchtete, Raj Ahten könnte versuchen, den alten Mann einzusperren oder ihn in seine Dienste zu zwingen.
Doch der Wolflord blieb nachdenklich und blickte in den dunklen Korridor, durch den der alte Mann hinausgegangen war.
Augenblicke später, als die Flammenweber das Bewußtsein wiedererlangten, kam eine Wache in den königlichen Saal gelaufen und verkündete, der Kräutersammler sei soeben draußen vor den Stadttoren gesehen worden, wo er quer über die Felder Richtung Dunnwald hinke. »Unsere Bogenschützen auf der Mauer hätten ihn erschießen können«, meinte der Mann, »doch wir wußten nicht, wie Ihr Euch in dieser Angelegenheit entschieden hattet. Die Nomen lagern auf den Feldern, aber keiner hat ihn aufgehalten. Soll ich Männer losschicken, die ihn zurückholen?«
Raj Ahten runzelte die Stirn. Die Zeit schien viel zu kurz, als daß ein Mann diese Räume hätte verlassen und aus der Burg fliehen können. Und ebenso befremdlich war, daß kein einziger von Raj Ahtens gut ausgebildeten Soldaten den alten Mann aufgehalten hatte.
»Hat er den Waldrand schon erreicht?« fragte Raj Ahten.
»Jawohl, Mylord.«
»Was hat er wohl vor?« überlegte Raj Ahten laut. Er erhob sich hastig, weiterhin nachdenklich. Dann fügte er hinzu: »Schicke einen Trupp Jäger los, die ihn aufspüren sollen – wenn sie können.«
Aber Iome wußte, daß es zu spät war. Binnesman hatte die Wälder erreicht, den Dunnwald, den uralten Wald, einen Brennpunkt der Erdkräfte. Selbst die besten unter Raj Ahtens Jägern konnten die Spur eines Erdwächters nicht durch den Dunnwald verfolgen.
KAPITEL 15
Poetik
Als die Spurenleser verschwunden waren, bahnte sich Gaborn, Rowan in den Armen, seinen Weg an der Mühle vorbei. Für einen jungen Mann mit drei Gaben der Muskelkraft war sie keine große Last, und er erkannte, daß es einen weiteren Vorteil hatte, wenn er sie trug: sie würde auf dem Boden keine Geruchsspuren hinterlassen. Es ist schwierig, einem Mann nachzuspüren, der soeben einen Fluß verlassen hat. Seine Körperfette werden abgewaschen, so daß er schwerer zu riechen ist, sobald er trockenen Boden betritt.
Gaborn wollte nur seine kleinen Duftspuren hinterlassen.
Die Ferrin sahen ihn kommen, als er sich die Böschung des Mühlenkanals hinaufmühte,
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