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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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anderem beschäftigt war. Eine kleine Armee belagerte einen Königspalast in einem Land, während fünf weitere sich in die Eingeweide irgendeines Lords zwei Königreiche entfernt verbissen.
    Schließlich erkannte er das Handlungsmuster dieser Angriffe. Das versetzte ihm einen fürchterlichen Schreck. Raj Ahten hatte Burg Sylvarresta mit nicht mehr als seiner Anmut und weniger als siebentausend Rittern und Soldaten eingenommen. Sicher, er hatte die Unbesiegbaren mitgebracht, das Herzstück seiner Armee. Und doch blieben viele Fragen unbeantwortet. Raj Ahten hatte Millionen von Soldaten, die sich auf sein Kommando in Marsch setzen konnten.
    Wo waren sie?
    Gaborn las und staunte. Die Erzählungen über Raj Ahtens Schlachten enthielten kein geheimes Wissen. Der Emir legte Raj Ahtens Taktiken offen, aber ein guter Spion hätte genauso viele Informationen zusammentragen können.
    Danach überflog er die Gedichte des Emirs, fand sie fad und ohne Kraft, reine Knittelverse, in denen jede Zeile auf einem vollen Reim endete, jede Zeile ein perfektes Versmaß aufwies.
    Einige Gedichte waren Sonette, die dem Leser einschärften, eine bestimmte Tugend anzustreben, so wie die Gedichte, die man kleinen Kindern zum Lesenlernen gibt.
    Doch nicht immer reimte der Emir in den Sonetten makellos.
    Manchmal schloß er mit einem Nichtreim, und beim schnellen Lesen hatte er das Gefühl, als sprängen ihm die Nichtreime ins Gesicht.
    Gaborn mußte erst zehn Seiten lesen, bevor er zum erstenmal über einen dieser Nichtreime stolperte in einem seltsamen Gedicht, einer Form, die vermindertes Sonett genannt wurde.
    Gaborn konzentrierte sich jetzt auf dieses Gedicht, denn es trug Sylvarrestas Namen im Titel.
    Ein Sonett für Sylvarresta Über die nächtliche Wüste streicht der Wind, Der wirbelnde Sand macht der Sterne Glanz blind.
    Am Feuer ruhen wir auf Kissen, lesen In den Büchern mächtiger Philosophie.
    Oh, hier finden die Sterblichen Verstehen, Männer, die lieben und in den Tod gehen.
    Er stellte die Worte in jeder Zeile um und versuchte Sätze zu bilden, die eine verborgene Bedeutung enthielten. Gaborn wunderte sich über die Worte. Er sehnte sich nach den Zeiten zurück, als Menschen aus dem Norden offen durch Indhopal hatten reisen können. Erst kürzlich hatte er gehört, wie ein Händler diesen Zeiten mit den Worten nachtrauerte: »Früher gab es viele gute Menschen in Indhopal. Jetzt, so scheint es, sind sie alle tot – oder man hat sie durch Schrecken ins Unheil getrieben.«
    Fünf Gedichte später stieß Gaborn auf ein weiteres Gedicht in der gleichen Form, hier jedoch fielen die Nichtreime in die ersten beiden Zeilen.
    Gaborn dachte an die Nichtreime im vorangegangenen Gedicht zurück: »Lesen, Philosophie.« Und nun die Nichtreime hier: »Hinter, Rücken.«
    Er blätterte rasch die folgenden fünf Seiten durch, entdeckte einen weiteren Nichtreim mit den Worten: »Saal, der Träume.«
    »Lies Philosophie hinter dem Rücken. Saal der Träume«, murmelte er. Sein Herz klopfte. Die Lehren, die die Days im Saal der Träume lernten, waren für Menschen wie Gaborn verboten. Die Days würden diese Chronik sicherlich vernichten, wenn sie dahinterkämen, daß der Emir solches Wissen unter den Runenlords verbreitete.
    Daher die Warnung des Emirs: »Zeige es nur denen, denen du vertrauen kannst.«
    In den Rest des Buches warf er nur einen flüchtigen Blick.
    Der letzte Abschnitt war philosophischen Betrachtungen gewidmet – Abhandlungen über das »Wesen eines guten Prinzen«, in denen zukünftige Könige angehalten wurden, auf ihre Manieren zu achten und ihren Vätern nicht die Kehlen aufzuschlitzen, während sie darauf warteten, daß der alte Herr wegstarb.
    Vorder-und Rückseite sowie der Buchrücken waren aus festem Leder, das mit einem weicheren Umschlag aus Schafsleder vernäht war.
    Er sah sich um. Er hatte stundenlang gelesen. Rowan lag reglos da und atmete wie eine Schlafende.
    Gaborn zog ein Messer heraus, zerschnitt die Fäden, die den Umschlag mit dem Buch verbanden.
    Seit Generationen hatten sich seine Vorfahren gefragt, welche Lehren im Saal der Träume unterrichtet wurden. Ein Mann war gestorben, als er dieses Buch nach Sylvarresta hatte bringen wollen. Wahrscheinlich ohne Grund. Irgendein Spion hatte erfahren, daß es aus Tuulistan unterwegs war, und angenommen, daß darin vor Raj Ahtens Invasionsplänen gewarnt wurde. Also hatte der Spion einen Unschuldigen ermordet.
    Doch Gaborn befürchtete – auch wenn dies vermutlich

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