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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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seinen Gedanken fest. Ja, er war hier im Wald. Und er hatte ihn im Stall gerochen. Der junge Mann, den er im Stall gesehen hatte, vor wenigen Minuten.
    Raj Ahten konnte sich an alles erinnern, was er in vielen Jahren gesehen hatte. Jetzt versuchte er das Gesicht des Jungen hervorzuholen, ihn sich dort in den Stallungen vorzustellen.
    Statt dessen sah er das Bild eines großen Baumes mitten im Wald in der Abenddämmerung, so gewaltig, daß seine schwankenden Äste nach den Sternen zu greifen schienen.
    Unter diesem Baum war es so friedlich, wenn man ihn so betrachtete, daß Raj Ahten die Hände hob und spürte, wie die Wärme des Sternenlichts seine Hände berührte und sie durchdrang.
    Er sehnte sich danach, dieser Baum zu sein, der sich im Wind wiegte. Ungerührt, nicht zu bewegen. Nichts als Stamm und Wurzeln, die von zahllosen vorüberkriechenden Würmern sanft gestreift wurden. Tief atmend. Vögel segelten zwischen den Ästen hindurch, nisteten in den Astgabeln, pickten nach Futter und nach Würmern, die sich in den Falten seiner Rinde verbargen.
    Raj Ahten stand mit angehaltenem Atem inmitten der Bäume des Waldes, blickte auf seine kleineren Brüder herab, kostete den Wind, der ziellos über ihn hinweg und durch ihn hindurch strich. Alle Sorgen verschwanden. Alles Hoffen und Streben verblaßte. Ein Baum, ganz friedlich und still.
    Wenn man so für immer stehenbleiben könnte!
    Ein Feuer flammte in seinem Stamm auf.
    Raj Ahten öffnete die Augen. Einer seiner Flammenweber betrachtete ihn durchdringend, stieß ihn mit seinem heißen Finger an.
    »Mein Lord, was tut Ihr da? Ihr steht jetzt schon seit fünf Minuten hier!«
    Raj Ahten holte überrascht tief Luft, betrachtete die Bäume rings um ihn, fühlte sich plötzlich beklommen. »Ich… Gaborn ist noch immer hier in der Stadt«, erklärte er. Aber er konnte den Jungen nicht beschreiben, konnte sein Gesicht nicht erkennen. Er konzentrierte sich und sah in rascher Folge einen Stein, einen einsamen Berg, eine enge Schlucht.
    Warum kann ich sein Gesicht nicht sehen? wunderte er sich.
    Dann blickte er hinauf in die Bäume ringsum und wußte es.
    Eine kleine Baumreihe, schmal, längs des Flusses. Ein Finger des Dunnwaldes. Aber trotzdem mächtig. »Steck diesen Wald in Brand«, trug er dem Flammenweber auf.
    Raj Ahten lief zu den Stadttoren und hoffte, er würde nicht zu spät kommen.
    Der Schweiß lief Gaborn in Strömen übers Gesicht, während er die Pferde durch den unteren Innenhof trieb. Fünfhundert Ritter waren draußen vor den Toren in ständiger Bewegung.
    Ihre Schlachtrösser trugen die elegantesten Rüstungen, die Sylvarrestas Schmiede herstellen konnten.
    Weitere tausend Bogenschützen standen nahe der Mauern mit gespannten Bögen bereit, für den Fall, daß eine Armee aus dem Wald hervorstürmte.
    Dennoch nahm die Tatsache, daß so viele Männer die Burg bereits verlassen hatten, dem Gedränge nichts von seiner Enge. Die Tausende von Soldaten waren keinesfalls allein unterwegs – Knappen, Köche, Waffenmeister, Schneider, Träger, Pfeilmacher, Huren, Wäscherinnen – sie alle bevölkerten die Straßen. Raj Ahten hatte siebentausend Soldaten in seiner Legion, sein Lager aber beherbergte zusätzlich tausend Gefolgsleute.
    Stallmeister striegelten die Pferde im Innenhof. Kinder liefen zwischen den Pferden umher. Zwei Kühe waren den Butterweg heruntergelaufen und stapften jetzt durch die Menge.
    In dem ganzen Durcheinander ritt Gaborn, das Pferd von Iome, das ihres Vaters und die der beiden Days hinter sich herziehend, aus der Burganlage heraus, darum bemüht, daß die Pferde nicht nach jedem Soldaten bissen oder traten, der die roten Wölfe Raj Ahtens auf seinem Schild oder Wappenrock trug.
    Ein dunkelgesichtiger Unterkommandant schnappte sich die Zügel von Gaborns Pferd und brüllte: »Her mit dem Pferd, Junge. Ich will es!«
    »Raj Ahten hat mir aufgetragen, die Zügel nicht aus der Hand zu geben«, meinte Gaborn. »Es ist für Jureem.«
    Der Unterkommandant zog die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt, und betrachtete sehnsuchtsvoll das Pferd.
    Gaborn ritt durch die dichtgedrängte Menge aus Leibern zu den Scharen von Soldaten hinüber, die sich auf dem verkohlten Grasland vor Burg Sylvarresta sammelten. Er nahm das Pferd des Königs scharf an die Leine und sah sich um.
    Der schwachsinnige König lächelte jeden an und winkte allen zu, wobei er den Mund vor Freude weit aufriß. Gaborns Roß watete mit seinem mürrischen Wesen durch die

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