Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
Vom Netzwerk:
lassen. Der König war zwar früher ein ausgezeichneter Reiter gewesen, aber davon war jetzt nichts mehr geblieben. Gaborn wurde klar, daß er den Mann buchstäblich am Sattelknauf würde festbinden müssen.
    Er nahm also eine seiner Führungsleinen und tat genau das, schlang dem König das Seil zweimal um die Hüfte, dann band er ihn vorne am Sattelknauf und hinten an den Halterungen für die Satteltaschen fest.
    Sein Herz klopfte. Er ging ein wahnsinniges Risiko ein: Iome konnte reiten, der König aber stellte zweifellos ein Problem dar. Gaborn hatte vor, den König und Iome durch das Stadttor zu bringen, dann in den Wald zu galoppieren, wo Ordens Truppen ihn beschützen konnten. Jedenfalls hoffte er, die Bogenschützen würden es nicht wagen, den König zu erschießen. Als Vektor war er für Raj Ahten zu wertvoll.
    Am meisten fürchtete Gaborn, Raj Ahtens Soldaten könnten sie zu Pferd verfolgen.
    Zum Glück schienen das Gejammere und die grotesken Klammerversuche des Königs die Pferde eher neugierig zu machen als zu verängstigen. Als er den König sicher im Sattel angebunden hatte, begann Sylvarresta sich mehr dafür zu interessieren, das Pferd zu streicheln und zu liebkosen, als sich selber abzuwerfen.
    Raj Ahten beugte sich über den blutgetränkten Boden und nahm in dem Birkenwäldchen Gaborns Witterung auf. Auf dem Kamm oben standen seine Berater und zwei Soldaten in der Mittagssonne.
    Aber hier im schattigen Wald suchte Raj Ahten ganz allein, so wie nur er dies konnte.
    »Das ist die Stelle!« rief einer seiner Kommandanten. Aber der Erdboden roch nur noch nach Schimmel und Humus und trockenem Laub. Es hatte Asche geregnet von den Feuern, die den Garten des Zauberers verbrannt hatten, und die hatte die Witterung verdorben. Dazu lag der scharfe Geruch von Soldatenblut in der Luft.
    Der Prinz war durch den verwüsteten Garten des Kräutersammlers gegangen, damit sein Körpergeruch von Rosmarin, Jasmin, Gräsern und anderen schweren Duftstoffen überdeckt wurde. Raj Ahtens eigene Männer waren vergangene Nacht hier im Dutzend vorübergetrampelt und hatten die Fährte noch zusätzlich verwischt.
    Je mehr er die Luft prüfend einsog, desto flüchtiger schien die Witterung.
    Trotzdem – keiner von Raj Ahtens Jagdhunden konnte so gut Spuren verfolgen wie er selbst. Der Wolflord kniete also vorsichtig schnuppernd im Lehm nieder, verwarf so manche Witterung und suchte die heraus, die auf Gaborn hinwies. Er kroch vorwärts, suchte nach irgendeiner Spur zwischen den Bäumen. Vielleicht hatte der junge Mann einen Kletterahorn gestreift oder den Stamm einer Erle berührt. Wenn, dann würde seine Witterung an der Stelle haften.
    Raj Ahten fand in der Nähe des Blutes keine Witterung, aber er fand etwas, das fast ebenso interessant war: den erdigen Moschusgeruch eines Mädchens, einer Magd, die in der Küche arbeitete. Seltsam, daß keiner seiner Jäger dies erwähnt hatte.
    Vielleicht hatte es nichts zu bedeuten, vielleicht begleitete das Mädchen den Prinzen aber auch. Plötzlich richtete sich Raj Ahten erschrocken auf. Ein halbes Dutzend Finken in einem nahen Baum ergriff auf die Bewegung hin die Flucht. Er lauschte auf einen sanften Wind, der durch die Bäume wehte.
    Er erkannte die Witterung des Mädchens wieder, hatte sie schon einmal gerochen…
    Heute morgen.
    Sie war ihm auf der Marktstraße begegnet, unmittelbar vor dem Bergfried der Übereigner.
    Raj Ahten besaß Gaben der Geisteskraft von über tausend Menschen. Er erinnerte sich an jeden Schlag seines Herzens, an jedes Wort, das man je zu ihm gesagt hatte. Er sah die Frau jetzt vor sich, zumindest ihren Hinterkopf. Ein wohlgeformtes junges Ding in einem Gewand mit Kapuze. Ihr langes Haar war dunkelbraun. Sie hatte neben einer Statue aus grauem Stein gestanden. Wieder überkam ihn ein seltsames Gefühl – eine eigenartige Verschwommenheit der Gedanken.
    Doch – nein! erkannte er plötzlich. Das konnte keine Statue gewesen sein. Die Gestalt hatte sich bewegt. Aber als er daran vorbeigelaufen war, hatte er den Eindruck von Stein gehabt.
    Er versuchte, sich an das Gesicht der Statue zu erinnern, sie sich als lebendes Fleisch vorzustellen. Die Statue eines Jungen – eines gesichtslosen, unauffällig aussehenden Knaben in einem schmutzigen Gewand.
    Sie hatten auf der Straße nahe der Stelle gestanden, wo seine Feuerdeuterin getötet worden war.
    Halt – jetzt hatte Raj Ahten sie – die Witterung. Er erinnerte sich an den Geruch der beiden. Hielt ihn in

Weitere Kostenlose Bücher