Dunkel ueber Longmont
hinter dem Rücken und ging auf und ab.
»Wird es eine große Schlacht werden, mein Lord?« fragte Hollicks.
Sylvarresta schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich. So spät im Jahr kommt es wahrscheinlich nur zu ein paar Geplänkeln im Vorfeld des eigentlichen Krieges. Ich glaube, wir haben es dort draußen mit einer Bande von Meuchelmördern zu tun.
Entweder führen sie, in der Absicht, mich zu schwächen, einen Schlag gegen den Bergfried der Übereigner, oder sie greifen die königliche Familie selbst an.«
»Aber was ist mit uns Kaufleuten?« wollte Hollicks wissen.
»Könnten sie nicht ebenso leicht unsere Gutshäuser angreifen?
Oh, oh, niemand ist sicher!«
Die Vorstellung, Raj Ahten könnte die Spießbürger angreifen, erschien lächerlich.
Lord Sylvarresta lachte. »Kommt, alter Freund, verriegelt Eure Tür heute nacht, dann habt Ihr nichts zu fürchten. Jetzt jedoch brauche ich Euren Rat. Wir müssen die Höhe des Lösegeldes für diesen ›Kaufmann‹ festlegen. Welchen Schaden, sollen wir sagen, hat er dem König verursacht?«
»Ich würde sagen, eintausend Silberhöker«, antwortete Hollicks.
Iome hatte ihrem Vater zugehört, war seiner Argumentation gefolgt und fand sie ebenso unangreifbar wie unerhört. »Die Idee, diesen Spion bis zur Zahlung eines Lösegeldes festzuhalten, gefällt mir nicht. Das ist… eine Form der Kapitulation. Damit berücksichtigt Ihr ganz gewiß nicht Chemoises Gefühle! Ihr Verlobter wurde ermordet!«
Lord Sylvarresta hob den Kopf und sah Chemoise an, und der Ausdruck in seinen Augen bekam etwas Flehentliches.
Chemoises Augen waren getrocknet, und doch schien Iomes Vater noch immer die Traurigkeit zu sehen, die in ihnen brannte. »Es tut mir leid, Chemoise. Ihr vertraut mir doch, nicht wahr? Glaubt Ihr nicht auch, daß ich das Richtige tue?
Wenn ich recht behalte, dann habt Ihr den Kopf dieses Mörders bis zum Ende der Woche auf einer Stange plus eintausend Silberhöker aus dem Lösegeld.«
»Natürlich, ganz wie es Euch beliebt, Mylord«, antwortete Chemoise. Wie könnte sie widersprechen?
»Gut«, sagte Sylvarresta, der Chemoises Worte für bare Münze nahm. »Und nun, Meister Hollicks, wollen wir uns das Lösegeld überlegen. Eintausend Silberstücke, sagt Ihr? Dann ist es gut, daß Ihr nicht König seid. Wir werden anfangs das Zwanzigfache verlangen dazu fünfzig Pfund Muskaiblüten, fünfzig Pfund Pfeffer und zweitausend Pfund Salz. Und ich werde Blutmetall verlangen. Wieviel haben die Händler dieses Jahr abgewogen?«
»Nun, genau weiß ich das nicht«, zögerte Hollicks, von den unverschämten Forderungen des Königs aufgewühlt. König Sylvarresta zog fragend die Augenbrauen hoch. Hollicks wußte, wieviel Blutmetall auf dem Markt war bis auf die letzte Unze. Zehn Jahre zuvor, als Anerkennung für Hollicks’
Dienste für den König, hatte Lord Sylvarresta einer Bitte des Kaufmanns stattgegeben, eine Gabe der Geisteskraft übernehmen zu dürfen. Zwar machte eine Gabe der Geisteskraft den Kaufmann weder klüger noch schöpferischer, noch ließ sie ihn klarer denken, aber diese Gabe ermöglichte es Hollicks, sich unbedeutende Einzelheiten fast fehlerlos einzuprägen.
Die Übernahme einer Gabe der Geisteskraft war wie das Öffnen eines Tores in die Gedankenwelt eines anderen Menschen. Wer eine Gabe der Geisteskraft bekam, besaß plötzlich die Fähigkeit, in eine Gedankenwelt einzutreten und dort aufzubewahren, was immer ihm gefiel, während es demjenigen, der die Gabe abgetreten hatte, verboten war, auch nur einen flüchtigen Blick auf den Inhalt seines eigenen Kopfes zu werfen. Jetzt lagerte Hollicks seine Erinnerungen in den Gedanken seines Übereigners ab.
Und tatsächlich, man erzählte sich, der Gildemeister könne jeden Vertrag zitieren, den er je geschrieben hatte, Wort für Wort. Hollicks wußte stets auf die Minute genau, wann seine sämtlichen Darlehen fällig wurden. Ganz sicher wußte er, wieviel Blutmetall die Händler aus dem Süden in der letzten Woche mitgebracht hatten. Als Vorstand des Jahrmarkts war es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß alle Erzeugnisse ordnungsgemäß gewogen wurden und daß die verkauften Erzeugnisse von bester Qualität waren.
»Ich – äh, bislang haben die Händler aus dem Süden erst dreizehn Pfund Blutmetall abgewogen. Sie… sagen, die Minen in Kartish seien dieses Jahr nicht sonderlich ertragreich gewesen…« Genug, um einhundert Zwingeisen herzustellen.
Hollicks wand sich, so als könnte Sylvarresta
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