Dunkel ueber Longmont
prächtigen Farben schufen bis es in der Stadt schließlich von Handwerkern und Künstlern aus allen Lebensbereichen wimmelte. Bannisferre war eine schöne Stadt ganz ohne Unrat. Zur Zeit war sie überall mit den Bildnissen des Erdkönigs geschmückt elegante Bildnisse aus Holz, die mit liebevoller Sorgfalt bemalt und bekleidet waren. Hier liefen einem keine verwahrlosten Bengel zwischen den Beinen herum. Und die Beamten des Statthalters waren in elegante Ledermäntel mit Goldbrokat gekleidet, so als sollten sie der zusätzlichen Zierde Bannisferres dienen und nicht seinen Gesetzen.
Irgendwie löste der Anblick dieses Ortes in Gaborn plötzlich Trauer aus. Die Verteidigungsanlagen der Stadt erschienen beklagenswert unzureichend. Die Stadt war an einem Fluß errichtet worden, und ihr fehlte der Schutz einer Festung. Eine niedrige Mauer aus Steinen rings um die Stadt würde kaum einem Kavallerieangriff standhalten und falls doch, dann nur, wenn die Kavallerie keine Kraftpferde ritt. Vielleicht könnten ein paar Soldaten eine Weile in den Gesangshäusern durchhalten, indem sie sich zwischen den Statuen Scharmützel lieferten.
Nein, in einem Krieg würde Bannisferre überrannt und seine Schönheit zerstört werden. Die eleganten Gesangshäuser und die Badehäuser waren aus Stein gebaut, doch der Stein war zur Verzierung bearbeitet worden, nicht zum Zwecke der Verteidigung. Die Türen waren zu breit, die Fenster zu großzügig bemessen. Selbst die Brücken über den Dwindell-Fluß boten genug Platz, daß Kutschen zu viert nebeneinander darüber fahren konnten. Sie waren nicht leicht zu verteidigen.
Gaborn kehrte zum Südmarkt zurück und schlenderte durch die Wolke von Honigbienen in den Schatten seiner Herberge.
Er hatte die Absicht, sein Versprechen Borenson gegenüber zu halten und in Sicherheit zu bleiben. Er suchte sich einen Tisch in einer Ecke, bestellte ein Abendessen, las einem verfeinerten Gaumen angemessen war, und legte die Füße auf den Tisch.
Sein Days nahm ihm gegenüber Platz. Gaborn kam sich vor, als feierte er Borensons großes Glück. Er warf einem herbeieilenden Kellnerjungen, der ein paar Jahre jünger war als er selbst, eine Silbermünze zu. »Bring uns Wein. Irgend etwas Süßes für den Days. Wirrbeeren für mich.«
»Jawohl, Herr«, antwortete der Junge. Gaborn sah sich um.
Der Raum war ziemlich leer. Drei Dutzend Stühle, aber nur einige von ihnen besetzt. Auf der anderen Seite saßen zwei Herren von dunkler Gesichtsfarbe und unterhielten sich leise über die jeweiligen Vorzüge verschiedener Gasthäuser in der Stadt. Ein paar Fliegen zogen trage ihre Kreise. Draußen auf dem Markt quiekte ein Schwein.
Gegen Abend würde das Gasthaus sich füllen.
Der Kellnerjunge kehrte mit zwei braunen Tonbechern und zwei Flaschen aus echtem, gelbem Glas zurück – nicht mit den Fellschläuchen, die im Süden benutzt wurden. Jede Flasche trug ein rotes Wachssiegel über dem Verschluß, das mit dem Buchstaben B beschriftet war. Es schien ein feiner Jahrgang zu sein, die Flaschen waren gut abgelagert und mit Staub überzogen. Gaborn war ein so edles Getränk nicht gewöhnt. In Schläuchen aufbewahrter Wein wurde nach sechs Monaten sauer.
Der Junge schenkte jedem einen Becher ein, dann ließ er die Flaschen auf dem Tisch stehen. Auf dem Glas bildeten sich Tröpfchen. So kalt waren sie.
Gaborn betrachtete gedankenverloren die Flaschen, stippte den Finger in den feuchten Staub auf der einen Flasche und probierte ihn. Gute, fette Erde. Gut zum Pflanzen.
Der Days nahm einen Schluck Wein und betrachtete ihn sorgfältig. »Hmmm…«, meinte er. »So etwas Feines habe ich noch nie gekostet.« Innerhalb von Sekunden leerte er den ganzen Becher und überlegte einen Augenblick, bevor er sich einen zweiten einschenkte.
Gaborn starrte den Days einfach nur an. Das hatte er noch nicht gesehen. Der Days war ein so nüchterner Mann – nie trank er im Übermaß. Er trieb sich auch nicht mit Frauen herum oder widmete irgendeiner anderen Form der Zerstreuung Zeit. Er war einzig seinen Vorschriften verpflichtet, das Leben von Königen im Namen der Zeitlords aufzuzeichnen. Da er mit einem anderen Mann gepaart war – jeder hatte dem jeweils anderen eine Gabe der Geisteskraft überlassen – schlossen die beiden einen Kreis. Beide Männer teilten sich einen Verstand, wußten dieselben Dinge.
Normalerweise führte ein solches Teilen in den Wahnsinn, da beide Menschen um die Kontrolle über den vereinten Verstand rangen.
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