Dunkel ueber Longmont
den Brustkorb auf. Ein Kratzer.
Jetzt packte er den Ellbogen des Kerls und zog den Mann halb herum. Der Meuchler geriet ins Wanken, da er sich nicht mehr auf sein gebrochenes Bein stützen konnte. Dreys trat erneut gegen das Bein, um ihm den Rest zu geben, und stieß den Kerl zurück.
In der Dunkelheit suchte der Unterkommandant verzweifelt nach einem lockeren Pflasterstein. Hinter ihm befand sich ein Gasthaus mit Namen »Das Butterfaß«. Neben den blühenden Ranken und dem Bildnis des Erdkönigs in seinem vorderen Fenster stand ein kleines Butterfaß. Dreys wollte sich das Faß holen, um es seinem Gegner auf den Kopf zu hauen.
Er versetzte dem Meuchelmörder einen weiteren Stoß und glaubte, der kleinere Mann werde hinstürzen. Statt dessen wirbelte der Kerl herum, und eine Hand krallte sich in Dreys’
Überwurf. Der Unterkommandant sah, wie sich die Messerklinge senkte.
Er hob einen Arm, um sie abzublocken.
Die Klinge drehte sich nach unten, traf tief, glitt durch seinen Bauch nach oben, vorbei an den zersplitterten Rippen. Ein ungeheurer Schmerz explodierte in Dreys’ Unterleib, schoß durch Schultern und Arme ein so allumfassender Schmerz, daß Dreys glaubte, die ganze Welt müsse ihn mit ihm empfinden.
Eine Ewigkeit lang stand Dreys da und sah an sich hinunter.
Schweiß rann in seine aufgerissenen Augen. Der verdammte Mörder hatte ihn aufgeschlitzt wie einen Fisch. Und trotzdem hielt der Meuchelmörder ihn noch immer fest hatte ihm den Messerarm bis zum Ellbogen in die Brust gestoßen, schob die Klinge auf das Herz zu. während seine Linke nach Dreys’
Tasche griff und tastend irgend etwas suchte.
Seine Hand griff krampfhaft nach dem Buch in Dreys’
Tasche, betastete es durch den Stoff des Überwurfs. Der Mörder feixte.
Dreys staunte. Das ist es, was du willst? Ein Buch?
Als am vergangenen Abend die Stadtgarde die Fremden aus dem Händlerviertel hinausgeführt hatte, war ein Mann aus Tuulistan an Dreys herangetreten, ein Händler, der sein Zelt in der Nähe des Waldes aufgeschlagen hatte. Der Mann sprach wenig Rofehavanisch und hatte lediglich gesagt: »Ein Geschenk für König. Du geben? Geben König?«
Dreys hatte unter reichlich förmlichem Genicke zugestimmt und das Buch zerstreut betrachtet. Die Chronik von Vhindyn ibn Owatt, Emir von Tuulistan. Ein dünner Band, in Schafsleder gebunden. Dreys hatte es abwesend eingesteckt, in der Absicht, es bei Tagesanbruch weiterzugeben.
Jetzt spürte er so entsetzliche Schmerzen, daß er nicht schreien, sich nicht bewegen konnte. Die Welt drehte sich. Er riß sich los, versuchte sich umzudrehen und zu fliehen. Seine Beine fühlten sich schwach an wie die eines jungen Kätzchens.
Er stolperte. Der Meuchelmörder griff von hinten in sein Haar und zog sein Kinn nach oben, um Dreys’ Kehle bloßzulegen.
Verdammt, dachte Dreys, hast du mich noch nicht schlimm genug zugerichtet? In einem letzten verzweifelten Schritt zerrte er das Buch aus der Tasche und schleuderte es weit in die Straße hinein, in den Butterweg.
Dort, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, kämpfte sich ein Rosenstrauch neben einem Stapel Fässer einen Baum hinauf. Gelbe Rosen an dunklen Ranken. Das Buch rutschte unter die Rosen.
Der Meuchelmörder fluchte in seiner fremden Sprache, stieß Dreys zur Seite und wankte dem Buch hinterher. Dreys vernahm nichts weiter als ein dumpfes Summen, als er sich mit Mühe auf die Knie erhob. Am Straßenrand sah er eine Bewegung der Meuchelmörder, der in den Rosen suchte. Drei größere Schatten kamen von links die Straße herunter geeilt.
Gezogene Schwerter blitzten auf, Sternenlicht schimmerte auf den Eisenkappen. Die Stadtgarde.
Dreys kippte nach vom auf die gepflasterte Straße.
In der vormorgendlichen Dämmerung kreischte ein Schwarm Gänse, als sie sich durch das silbrige Licht der Sterne ihren Weg nach Süden bahnten, und für alle Welt klangen ihre Stimmen wie das ferne Gebell eines Rudels Hunde.
KAPITEL 2
Die das Land lieben
An diesem Morgen, wenige Stunden nach dem Überfall auf Dreys und vielleicht einhundert Meilen südlich von Burg Sylvarresta, sah sich Prinz Gaborn Val Orden Schwierigkeiten gegenüber, die nicht ganz so schwer zu bewältigen waren.
Dennoch hatte keine seiner Unterrichtsstunden im Haus des Verstehens den achtzehnjährigen Prinzen darauf vorbereitet, auf dem großen Markt in Bannisferre einer solch geheimnisvollen Frau zu begegnen.
Gedankenverloren hatte er am Stand eines Händlers auf dem Südmarkt
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